Ich bin immer auf der Suche nach Inspirationen zu didaktischer Reduktion, um diese in meiner Arbeit für die Wissensvermittlung, den Wissenstransfer zu nutzen. Und so habe ich den Verlag um ein Rezensionsexemplar von „minimal lernen“ von Regina Hunter (Klinische Psychologin in der Schweiz) gebeten.

Diese Buchbesprechung folgt meinem oben genannten Fokus und berichtet von einigen meiner Erkenntnisse bei der Lektüre des Buches.

Außerdem war ich bei der Lektüre – durch ein sehr schlechtes Erlebnis als Lernende in einer Weiterbildung diesen Sommer in Wien – ganz besonders für die Sicht der Lernenden sensibilisiert.

Ein Fazit nehme ich vorweg: Mich hat neben allen Erkenntnissen aus dem Buch die große Empathie von Regina Hunter für alle am Lernen beteiligten Menschen sehr beeindruckt. Ich werde auch dafür das Buch oft als Erinnerung zur Hand nehmen.

Alle Zitate stammen aus dem genannten Buch.

 

Das „minimal lernen“-Buch

Erfolgreiches Lernen ist … machbar und sogar angenehm wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:

  1. Das Schaffen eines Gefühls von Erfolg und Meisterschaft,
  2. das Lernen von minimal Wichtigem/Wenigem gemäß der Funktionsweise des Gehirns und
  3. das Zurverfügungstellen einer garantierten, minimalen Zeit, sich mit dem Stoff zu konfrontieren.“ (S.10)

Diesen Haltungen der Autorin folgen die Struktur und der Inhalt des Buches.

Nun kann man vielleicht als Wissensvermittelnde/r uneingeschränkt Ja zu 1. sagen. Gegebenenfalls kann man auch noch zu 3. Ja sagen. Hat man da zum Beispiel Zeitnot in einem betrieblichen Kontext des Wissenstransfers vor Augen. Doch „verkraftet“ man das Wort minimal in 2.? ;-) Wechselt man jedoch die Seiten und erinnert sich an Zeiten als Lernende/r, wird klar, es geht einfach nicht anders. Das ist eine Herausforderung im Wissenstransfer. Auch ich ringe ständig mit didaktischer Reduktion…

Doch sehr vieles spricht für „minimal“:

  • Das Gehirn bedient sich ohnehin für eine effiziente Informationsverarbeitung und -speicherung radikaler Reduktionsprozesse. (S.14)
    Ich finde, da schaut man als Wissensvermittler*in, das Musswissen dabei übrigbleibt.
  • In unseren Zeiten, „den Überblick zu behalten … ist nur möglich durch Strukturierung und Beschränkung“. (S.16)
  • Motivation und das Gefühl, das Lernen machbar ist, werden durch undurchdringliche Stofffülle unbewusst, schnell und nachhaltig ruiniert (siehe Kapitel „Mastering – Oberhand gewinnen“, S.8 – 32).
    Die „emotionale Bewertung der Lernerfahrung geschieht mit sehr hoher Geschwindigkeit noch bevor der präfrontale Kortex mit steuernden, planenden Funktionen einsetzen kann.“ (S.89)
    Die Angst vor dem Lernen „löst nicht nur eine Fluchtreaktion aus, sondern blockiert das Gehirn“. (S.24)

 

Minimale Tipps für didaktische Reduktion

Didaktische Reduktion klingt unter Umständen für die Wissensgeber*in sehr radikal. Doch sind da viele Wege möglich. In dem Dreisprung der Reduktion, den ich vermittle, kann schon eine anschauliche Aufbereitung hilfreich sein. Was dies bewirken kann, zeigt ein Beispiel der Autorin aus der Sprache: „Während wir … beim Bruchrechnen von drei Fünfteln sprechen, heißt es im Chinesischen bildlich „von fünf Teilen nimm drei“, was eine Erklärung des Bruchs ergibt und die eindeutige Unterscheidung zwischen Zähler und Nenner ermöglicht.“ (S.30)

Das Buch enthält im Kapitel 2 („Das Minimale“, S. 33 – 93) eine Fülle an Beispielen für Methoden der Reduktion und „Zubereitung“ des minimalen Muss-Wissens. Diese Beispiele wählte die Autorin aus dem Wissen für die Grund-, Mittel- und Oberstufe und dem universitären und übrigen Hochschulbereich. Ich finde, man kann in all diesen Lernstufen etwas für den Wissenstransfer im betrieblichen Kontext dazulernen. Und sei es so minimal 😉 wie die Idee der Halbzeit im „minimalen“ Stoff. Diese signalisiert, dass das Ende schon in Sicht ist und motiviert zum Durchhalten.

Auch der „minimale“ Tipp zuerst Ähnlichkeiten und danach Schritt für Schritt Ausnahmen zu vermitteln, lässt sich für viel mehr Inhalte als nur Fremdsprachen nutzen.

„Minimale“ Tipps der didaktischen Reduktion kann man leicht lernen und leicht ausprobieren.

Basierend auf dem Prinzip des Gehirns, „Muster, Regeln, Kategorien und Allgemeines zu erkennen“ (S.14), um effizient zu sein, wirken „markante Informationen“ wie „Leuchttürme“. (S.15) Wie man dieses Prinzip in der Wissensvermittlung nutzt, wird auf vielfältige Weise im Buch gezeigt. Eine Methode ist dabei die sichtbare Struktur des Wissensgebietes. Dabei ist ein „Pfad“ wichtig. „Es ist des Weiteren auch wichtig, zu wissen, dass man irgendwie erfolgreich sein wird, wenn man diesem Pfad folgt“. (S.24) Damit „unter allen Umständen, (immer!), bei den Lernenden dieses Gefühl entsteht: ‚Ich schaff das.‘“. (S.31)
Ich bin der Überzeugung, Wissenslandkarten für die Struktur eines Stoffes (siehe oberen Teil) helfen dabei.

Niemand, die/der Wissen vermittelt, soll mit didaktischer Reduktion zu Leichtfertigkeit im Umgang mit Fachwissen verführt werden. Daher vermittle ich Checkpunkte für die Ergebnisse didaktischer Reduktion. Eine neuer Checkpunkt ist für mich der Hinweis der Autorin: „Die Richtigkeit der Reduktion ist überprüfbar, da sie im Sinne eines Hyperlinks auf die Ausgangsbasis zurückführbar sein muss“ (S.58).

Komplexität kann nachher, wenn die Basis genügend stabil ist, in den Gebieten, die einen interessieren, ohne Probleme wieder erworben und beigefügt werden.“ (S.81)

In der didaktischen Reduktion existiert auch die Idee, die Lernenden als Lernhandlung reduzieren zu lassen. Im Unterkapitel „Lernen leichter gemacht“ (S.80 – 88) vermittelt Frau Hunter 23 Methoden dafür.

 

Mein Fazit

  1. Ein hilfreiches Fachbuch für Menschlichkeit und didaktische Reduktion in der Wissensvermittlung.
  2. Das Buch erscheint mir sowohl geeignet für Wissensvermittler*innen als auch für Lernende jedweden Alters.
  3. Die Rolle der Eltern kann ich nur in der Rückschau betrachten, da meine Tochter erwachsen ist. Wenn ich mich an die Herausforderungen in ihrer Schulzeit erinnere, denke ich, uns beiden hätten die Strategien von Frau Hunter das Leben leichter gemacht.

Noch ein Hinweis, das Buch geht über die hier besprochenen Kapitel hinaus:

  • Einleitung
  • 1 Mastering – Oberhand gewinnen
  • 2 Das Minimal
  • 3 Minimale Zeit bereitstellen
  • Diskussion. Über das Wissen hinaus – Ausblick

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Danke Yvo Wüst, dank Dir bin ich auf das Buch aufmerksam geworden.

Das Buch/Quelle
Hunter, Regina (2013) minimal lernen (inklusive Leseprobe und Kurz-Video). hep – der Bildungsverlag, Bern
160 Seiten