Schwitzende Verben signalisieren Ihren Lesern: Dieser Text lebt!
Statt
„Nach erfolgter Ankunft und Besichtigung war mir der Sieg möglich.“
wecken Sie eher so Aufmerksamkeit:
„Ich kam, sah und siegte.“ (1)
Wie lasse ich Verben für lebendige Texte schwitzen?
1. Befreien Sie Verben aus Hauptwörtern.
Zu viele Hauptwörter blähen die Texte und damit die Geduld der Leser – noch schlimmer ist das für Zuhörer, die „nicht umblättern dürfen“…
Diese Texte scheinen tot zu sein, manchmal verstehen wir sie auch nicht oder nur sehr mühsam, siehe den Nicht-Cäsar-Satz oben. Also befreien Sie zuerst die Verben aus den Hauptwörtern.
Tipp: Erst mal schreiben, wie der Text so fließt. Und in einem der nachfolgenden Editiergänge befreien Sie überall da wo möglich und sinnvoll Verben aus den Hauptwörtern.
2. Wählen Sie Verben vorsichtig aus!
Nicht alle Verben sind wirklich „Königswörter“. (2) Diese Verben schaden Texten:
- Verben mit redundanten Vorsilben, z.B. abklären;
- Imponierverben, z.B. operationalisieren;
- Funktions- oder Streckverben, z.B. zum Tragen kommen. (2)
3. Beleben Sie nun die befreiten Verben bis sie schwitzen.
Schwitzende Verben
-> benennen Handlungen, und Tätigkeiten, z.B. arbeiten, verhandeln, meistern;
-> beschreiben Vorgänge, z.B. gelingen, stärken. (3)
Ein Beispiel
„In meinen vier Bezirkshauptmannschaften fallen – von meinen übrigen Arbeiten abgesehn – wie betrunken die Leute von den Gerüsten herunter, in die Maschinen hinein, alle Balken kippen um, alle Böschungen lockern sich, alle Leitern rutschen aus, was man hinauf gibt, das stürzt hinunter, was man herunter gibt, darüber stürzt man selbst. Und man bekommt Kopfschmerzen von diesen jungen Mädchen in den Porzellanfabriken, die unaufhörlich mit Türmen von Geschirr sich auf die Treppe werfen.“ (4)
Kafka schrieb das zwar auf dem Briefpapier der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag, allerdings an seinen Freund Max Brod. Einen offiziellen Report hätte er vielleicht nicht so formuliert. Doch zeigt der Text wie schwitzende Verben einen Text fühlbar bewegen und beleben.
Natürlich gilt dabei, was Parcelsus schon wusste: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei.“
Daher starten Sie langsam und einfach Schritt für Schritt mit so viel schwitzenden Verben wie es den Texten und ihren Lesern hilft.
Mehr Tipps für lebendige Texte finden Sie hier.
Quellen:
(1) Bruno, T., Adamczyk, G. und Bilinski, W. (2011) Körpersprache und Rhetorik. Ihr souveräner Auftritt. Haufe-Lexware und Cäsar, Julius (47 v. Chr.)
(2) Schneider,W. (2007) Deutsch! Das Handbuch für attraktive Texte. Rowohlt Taschenbuch Verlag
(3 ) Märtin, D. Erfolgreich Texten. Voltmedia
(4) Kafka, F. (1909) Brief an Max Brod
Hinterlasse einen Kommentar