Information und Wissen – zwei Begriffe, die wir oft nutzen. Doch was meinen wir, wenn wir Information oder Wissen sagen? Die Antwort darauf kann entscheidend dafür sein, was wir danach tun.
Daher hat mich das hier vorgestellte Buch interessiert und ich habe Kristina Pelikan um ein Rezensionsexemplar gebeten.

 

Das Buch

Darum geht es im Buch:
„Information und Wissen stellen einen wesentlichen sozialen, kulturellen und ökonomischen Faktor der Gesellschaft dar. In dem Band, der auf ein Symposion 2016 in Berlin zurückgeht, werden sie aus erkenntnis-, informations- und sprachtheoretischer Perspektive diskutiert.“ (Peter Lang Buch-Webseite)

Die Beiträge im Buch beschäftigen sich mit:

  • „grundsätzlichen Überlegungen zu Information und Wissen,
  • Fehlen von und Zweifel an Wissen,
  • Quantität und Qualität von Information aus dem Internet,
  • Zusammenhängen zwischen Wissen und Sprache“ (Pelikan (Hg.), Roelcke (Hg.), 2020).

Ich schaue in das Buch

  • mit Interesse an den Begriffen Information und Wissen
  • und für Erkenntnisse für meine Arbeit mit Information und Wissen.

Dazu stelle ich Beispiele aus dem Buch vor.

Doch zuvor braucht es noch eine weitere Einordnung des Buches: es erscheint in der Reihe „Transferwissenschaften“, die sich mit „Fragen zur Transformation von Wissen durch Kommunikation“ befasst (Peter Lang Reihen-Webseite).
Wenn Sie mehr zu Transferwissenschaften interessiert, finden Sie am Ende dieses Blogposts einen weiterführenden Link.

Nun komme ich zu Denkanstößen aus dem Buch, gruppiert in:

  • Information, Wissen, Wissenstransfer,
  • Ungewisses,
  • Sprache und Wissenschaft.

 

Information, Wissen, Wissenstransfer

Als Startpunkt ein Blick in den Beitrag „Wissen – Information – Transformation“ von Kristina Pelikan, Thorsten Roelcke, Tilo Weber (Pelikan et al., 2020):

Information und Wissen - Worte im Wandel

Bedeutungen im Wandel der Zeiten

Es folgt eine Sicht zu Wissenstransfer von Günter Abel in „Überlegungen zu Information und Wissen“:
„In Konsequenz“ eines zuvor geschilderten „komplexen Szenarios ist natürlich auch Wissenstransfer keineswegs einfach bloß Informationstransfer. Wenn Wissen transferiert wird (in den Wissenschaften ebenso wie im Alltag und in den Künsten), dann werden nicht einfach bloß interpretierte Daten transportiert und rezipiert. Transferiert und rezipiert wird zugleich und vor allem auch das ganze Setting der epistemischen Perspektivität, der epistemischen Werte und Normen und vor allem die zugrunde liegende Zeichen – und Interpretations-Praxis sowie die in der jeweiligen Praxis dominante Wissensordnung. Würden Dimensionen nicht mit transferiert, könnte der Empfänger von Daten diese nicht einmal als Daten identifizieren. Denn er wüsste ja gar nicht, welche Aspekte warum wozu weshalb und wie überhaupt relevant sind (oder nicht).“ (Abel, 2020)

 

Ungewisses

Mit dem Ungewissen beschäftigen sich zwei Beiträge. Den Beitrag von Hans-Liudger Dienel und Christoph Henseler finde ich verblüffend und auch für anderen Arbeitsinhalte nutzbar: „Landkarten des Ungewissen – ein Werkzeug für die Ungewissheit in den Wissenschaften“.

Ausgangspunkt ist die Erwartung der Gesellschaft, dass Wissenschaft Antworten liefern muss. Glücklicherweise gibt es heute neben den erwarteten „Gewissheiten“ auch die Haltung, dass sowohl „die Vermehrung des Wissens als auch die Spezifizierung von Ungewissheit“ Ziele sind (Merton, 1987). Doch sind die Anforderungen daran verschieden: „Aber während Ungewissheit und Unwissenheit für die Wissenschaft eine gute Sache sein könnte, muss sie für den Politikprozess in ein nützliches ‚Nichtwissen‘ verwandelt werden, vergleichbar zu nützlichem Wissen“ (Ravetz, 1987) Wichtig ist, damit gezielt verständlich umzugehen. Man sollte nicht (nur) Einschränkungen von Geltungsbereichen kommunizieren. Der konkrete „Hinweis auf Unsicherheit in den Medien“ kann eine Lösung sein (Dienel, Henseler, 2020).

In einem Projekt, den o.g. Landkarten für die Öffentlichkeit, haben dies die Autoren untersucht. Die Landkarten sind Infografiken, fünf davon zu Extremereignissen unserer Zeit. Inkludiert werden „unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen“ und „Dimensionen des Nichtwissens (genuines Nichtwissen, Umstrittenes, widerstreitende Meinungen, Wahrnehmungsdifferenzen, Transferprobleme)“ (Dienel, Henseler, 2020).

Wissen - Ungewisses

Überblick über die Landkarten

Landkarten des Ungewissen

Beispiel einer Landkarte

Die Landkarten herzustellen, brachte mehrere Herausforderungen mit sich, u.a.:

  • Hohe Komplexität muss einfach dargestellt werden.
  • Extremereignisse eignen sich für die Betrachtung von Nichtwissen. Jedoch welches Wissen aus den vielen beteiligten Disziplinen kann man voraussetzen?

Übertragen auf Ihre Arbeit, was wären da nützliche Landkarten des Nichtwissens? Für welche Zielgruppen und welche Ziele? Was braucht es in Ihrer Arbeit generell im Umgang mit Nichtwissen?

In den grundlegenden Beiträgen zu Beginn des Buches beschäftigt sich übrigens Walter Ch. Zimmerli mit „Nichtwissensmanagement“ bis hin zu „Nichtwissensgesellschaften“ (Zimmerli, 2020) Auch ein wichtiger Denkanstoß.

 

Wissen und Sprache

Ein Zusammenhang dieser Begriffe scheint auf der Hand zu liegen. Welche Ausmaße er annehmen kann und wie dabei Wissensweitergabe verhindert wird, führt Winfried Thielemann eindrücklich vor Augen in seinem Beitrag „Sprachliche Voraussetzungen einer europäischen Wissenschaftsbildung“.

Er betrachtet die fortschreitende Anglophonisierung in der europäischen Wissenschaft. Daraus kann schlimmstenfalls eine einsprachige Wissenschaftssprache entstehen. In der Wissenschaftsgeschichte hat aber gerade der Verzicht auf so etwas, das Lateinische, und die Nutzung der eigenen Muttersprache die Bedingungen für den Umgang mit Wissenschaft erweitert und erleichtert.

Problematisch wird das besonders, wenn sich Menschen auf Englisch wissenschaftlich verständigen wollen, deren Muttersprache nicht Englisch ist. Neben dem reinen Sprachumfang gehen auch sprachbedingte Eigenschaften und Chancen der eigenen (Wissenschafts-)Sprache verloren.
Dies kann in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Terminologie der Wissenschaftssprache nur noch von englischen Muttersprachlern definiert wird. Und das ist nur eine von vielen möglichen negativen Folgen für die europäische Wissensschafts-Sprachen.

Im internationale Forschungsprojekt euroWiss hat der Autor in diesem Spannungsfeld wissensvermittelnde Hochschulkommunikation untersucht. Im Beitrag stellt er Beispiele vor. Sehr, sehr eindrücklich veranschaulicht u.a. das Beispiel einer in Deutschland auf Englisch gehaltenen Chemievorlesung, welcher „Sprachabbau“ (Thielemann, 2020) dabei stattfinden kann. Das traurige Fazit des Beispiels: „So können sich schließlich alle über gar nichts mehr, schon gar nicht wissenschaftlich verständigen.“ (Thielemann, 2020)

Wie vielfältig die sprachlichen Anforderungen sind, wird hier gezeigt:

Sprache und Wissenschaft

Was zu absolvieren wäre

Der Beitrag ist ein beeindruckender Spiegel, in dem man schaut, wenn man Wissen vermittelt. Zuerst natürlich, wenn man auf Englisch Wissen vermittelt. Doch auch für Menschen gleicher Muttersprache aber unterschiedlicher oder unterschiedlich ausgeprägter Fachsprache, sehe ich wichtige Hinweise in dem Beitrag. Denn „wissenschaftliche Lehre …“, und eben nicht nur sie, ist „eine hochkomplexe, sprachliche Unternehmung“ (Thielemann, 2020).

 

Fazit

Das Buch ermöglicht einen vielfältigen und tiefen Blick auf Information und Wissen in unterschiedlichen Kontexten, z.B. auch zu Wissen in der Theologie. Es bietet damit Überlegungen und Forschungsergebnisse, die ich inspirierend und hilfreich finde, wenn man mit Informationen und Wissen arbeitet. Auch wenn man – so wie ich – sich nicht wissenschaftlich mit „Fragen zur Transformation von Wissen durch Kommunikation“ befasst (Peter Lang Buch-Webseite), öffnen einem die Beiträge Bereiche, aus denen man lernen kann.

Ein weiteres Fazit ist für mich: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Die Streichung im Brecht-Zitat ist Absicht. Ich bin nicht enttäuscht. Eben weil ich aus dem Buch lerne, ist mir klar, dass sich damit neue Fragen ergeben.

Denn darum geht es: „Es ist etwas Eigenartiges mit dem Wissen. Zwar meinen wir zu wissen, was wir damit meinen, wenn wir sagen, wir wüssten etwas. Aber bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass sich das nicht nur nicht so verhält, sondern dass wir auch wissen, dass es sich so nicht verhält. Ja, es ist sogar noch schlimmer: Nicht nur sind wir überzeugt davon zu wissen, was es heißt etwas zu wissen, sondern wir sind zugleich ebenso überzeugt davon, keine wirklich adäquate Vorstellung davon zu haben, was das eigentlich ist – das Wissen.“ (Zimmerli, 2020)

Quellen:
Das vorgestellte Buch

(Pelikan (Hg.), Roelcke (Hg.), 2020) Pelikan, Christa (Hg.), Roelcke, Thorsten (Hg.) (2020) Information und Wissen – Beiträge zum transdisziplinären Diskurs. In der Reihe Transferwissenschaften. Peter Lang International Academic Publishers, Bern

Zitierte Beiträge darin
(Abel, 2020) Abel, Günter (2020) Das Wechselspiel von Wissen und Information. In: Pelikan, Christa (Hg.), Roelcke, Thorsten (Hg.) (2020) Information und Wissen – Beiträge zum transdisziplinären Diskurs. In der Reihe Transferwissenschaften. Peter Lang International Academic Publishers, Bern

(Dienel, Henseler, 2020) Dienel, Hans-Liudger, Henseler, Christoph (2020) Landkarten des Ungewissen – Ein Werkzeug für die Kommunikation von Ungewissheit in den Wissenschaften. In: Pelikan, Christa (Hg.), Roelcke, Thorsten (Hg.) (2020) Information und Wissen – Beiträge zum transdisziplinären Diskurs. In der Reihe Transferwissenschaften. Peter Lang International Academic Publishers, Bern

(Pelikan et al., 2020) Pelikan, Kristina, Roelcke, Thorsten, Weber, Tilo (2020) Wissen – Information – Transformation: Umrisse der Transferwissenschaften. In: Pelikan, Christa (Hg.), Roelcke, Thorsten (Hg.) (2020) Information und Wissen – Beiträge zum transdisziplinären Diskurs. In der Reihe Transferwissenschaften. Peter Lang International Academic Publishers, Bern

(Thielemann, 2020) Thilemann, Winfried (2020) Sprachliche Vorraussetzungen einer europäischen Wissenschaftsbildung. In: Pelikan, Christa (Hg.), Roelcke, Thorsten (Hg.) (2020) Information und Wissen – Beiträge zum transdisziplinären Diskurs. In der Reihe Transferwissenschaften. Peter Lang International Academic Publishers, Bern

(Zimmerli, 2020) Zimmerli, Walter Ch. (2020) MACHT INFORMATION SINN? Reflexionen zur Iteration von Unterschied und Nichtwissen.  In: Pelikan, Christa (Hg.), Roelcke, Thorsten (Hg.) (2020) Information und Wissen – Beiträge zum transdisziplinären Diskurs. In der Reihe Transferwissenschaften. Peter Lang International Academic Publishers, Bern

Zitate in Beiträgen
(Merton, 1987) Merton, Robert. K. (1987): Three Fragments from a Sociologists Notebooks: Establishing the Phenomenon, Specified Ignorance Strategic Research Materials. In: Annual Review of Sociology, 13

(Ravetz, 1987) Ravetz, Jerome R. (1987): Usable knowledge, usable ignorance: incomplete implications. In: Clark, William C.; Munn, Ralph E. (eds.): Sustainable development of the biosphere. Cambridge

Verlagswebseiten dazu
Peter Lang Buch-Webseite
Peter Lang Reihen-Webseite