Manchmal schreckt man davor zurück, den Umgang mit Fachwissen zu ändern, obwohl es notwendig wäre. Der Aufwand! Aber vielleicht könnten schon kleine neue Gewohnheiten zu kleinen nützlichen Veränderungen in die gewünschte Richtung führen.

Es ist so wie mit dem Wunsch gesünder zu leben. Alles auf einmal zu ändern, verursacht Stress. Die Gefahr groß, dass man dann alles wieder aufgibt und nichts erreicht. Dabei wären vielleicht schon drei Kraftübungen nach dem Aufstehen eine erste Verbesserung sein.

 

Veränderungs-Balance an der Kaffeemaschine

Veränderung braucht Energie. Man stellt sich selbst ein Bein, wenn man nicht auf die eigne Veränderungsbalance und die der Beteiligten achtet:

Modell der Veränderung-Balance

Modell der Veränderungs-Balance (Koch, 2018)

Wenn man also etwas verändern will – zum Beispiel im Umgang mit Fachwissen – gehört die Veränderungsbalance zu den inhaltlichen und strategischen Vorüberlegungen.

Die Sichtweise von James Clear ist: Minimale neue Gewohnheiten anzunehmen, ermöglicht in Veränderungs-Balance zu bleiben. Dieser Ansatz führt durchaus zu nachhaltigen Veränderungen.

Buch - Atomic Habits - Kleinste Gewohnheiten

Den Titel der deutschen Ausgabe finde ich leider zu werblich:
“Die 1%-Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung” (Clear, 2018)

Diese Strategien können auch bei Veränderungen in der Arbeit helfen. Im weiteren Blogpost stelle ich vor, wie kleine Veränderungen Wissen fließen lassen könnten.

Doch zunächst ein persönliches Beispiel für diese Strategie. Wenn meine Kaffeemaschine an einem großen Kaffee arbeitet, mache ich eine Fußgymnastikübung :-) Ich betreibe zwar Ausdauersport und Muskeltraining. Aber um wirklich viele Muskeln zu trainieren, braucht man Zeit. Deshalb verschiebe ich zum Beispiel Übungen für die Füße und das Sprunggelenk aus auf die Zeit vor der Kaffeemaschine. James Clear nennt das „habit stacking“ (Gewohnheiten stapeln). Seine Idee dabei ist, eine neue kleine Gewohnheit mit einer bereits etablierten Gewohnheit zu verbinden. Ich „staple“ unterschiedlichen Fußübungen auf die Zubereitung der über den Tag verteilten Kaffees. Natürlich sollte so ein „Gewohnheitssandwich“ nicht zu „dick“ werden. Ich finde, es bringt schon etwas, eine kleine Gewohnheit plus eine kleine Gewohnheit zu stapeln.

Die neue kleine Gewohnheit kann man auch mit „choice architecture“ (gewohnheitsfördernde Umgebung) absichern. Denn nicht nur unsere persönliche Motivation hat Einfluss, sondern auch wie und wozu unsere Umgebung motiviert. Deshalb liegt neben meiner Kaffeemaschine sicherheitshalber eine Sammlung von Übungsbeschreibungen. Sie erinnert mich generell an die Gewohnheit und auch daran, die Übungen zu wechseln.

Man kann das noch weiter gehen. Der Kontext der neuen Gewohnheit sollte stabil sein. Wenn ich selten zu Hause bin, um Kaffee zu machen, wird die begleitenden Fußgymnastik weniger. Es sei denn ich mache sie im Restaurant, während ich auf den Kaffee warte ;-)

 

Weniger ist mehr

Kleine neue Gewohnheiten sind kleine Bausteine für eine nachhaltig veränderte Lebens- oder Arbeitsweise. So wie Atome kleine Bausteine der Materie sind.

Neben der Kopplung an bestehende, stabile Gewohnheiten und ein unterstützendes Umfeld gibt es noch weitere hilfreiche Aspekte. Ich finde, sie ähneln ein wenig dem SMARTen Ziel:

  • Es ist gut, spezifisch zu sein. Welche kleine Gewohnheit wollen wir wie und warum für welches größere Ziel nutzen?
  • Gewohnheiten sollten messbar sein. Habe ich sie in der geplanten Häufigkeit gemacht, ja/nein? Tipps zum visuellen habit tracking (Gewohnheitscontrolling) finden Sie hier in einem anderen Blogpost von mir.
  • Die neue Gewohnheit sollte wirklich (!) attraktiv, realistisch und terminiert sein. Machen Sie es sich und anderen leicht! James Clear nennt als Beispiel die Zwei-Minuten-Regel. Die neue Gewohnheit sollte in zwei Minuten oder weniger umsetzbar sein. Das trifft auf mein „Kaffee-Training“ zu.

Diagramm zur Anwendung der Zwei-Minuten-Regel

Anwendung der Zwei-Minuten-Regel (Clear, o.J.)

Vielleicht denken Sie jetzt: „Das ist ja schön und gut, aber wie viel Wissen kann ich schon in zwei Minuten bewegen!?“
Hm, schon das Nachdenken darüber kann Wissen bewegen :-D

Sie könnten sich zu Beginn einer Arbeitsbesprechung zwei Minuten Zeit nehmen, um Beispiele für Wissen zu teilen, für das Ihr Team/Ihre Abteilung seit der letzten Besprechung Wertschätzung erhalten hat. Wertschätzung innerhalb der Firma oder von Kund*innen.
Das sollte die Besprechung aber nicht verlängern. Man kann ja dafür gleich ein paar Strategien der didaktische Reduktion üben und voneinander lernen.
Diese Gewohnheit kann zu dem großen Ziel beitragen, eigene Wissenswerte besser im Blick zu behalten und zu nutzen.

In zwei Minuten wird zwar „nur“ eine kleine Menge Wissen bewegt. Aber diese kleinen Mengen summieren sich. Und es passiert noch etwas mehr: eine Verhaltensänderung. Denn Sie sprechen miteinander regelmäßig über Ihre gemeinsamen Wissenswerte.

In den Projekten, die ich in meinen Fachgebieten begleite, frage ich immer mal wieder: „Und wie könnten Sie es sich etwas leichter machen?“ Warum nicht am Ende einer Arbeitsbesprechung eine solche Frage zu einer konkreten Situation stellen? Und bei der nächsten Besprechung am Ende eine einfache Idee dafür vorstellen. Diese Perspektive ist entlastend und kann Arbeitsabläufe verbessern sowie motivieren.

Auch wenig bekannte hilfreiche Software-Features, die nützlich sind, können so vorgestellt werden. Vielleicht auch Schätze in einer Wissensdatenbank.

Ich sammle Beispiele von interessanten Data Physicalisation-Ideen. Man kann auch gemeinsam Beispiele für hilfreich aufbereitetes Fachwissen sammeln. Man einigt sich auf Auswahlkriterien und Speicherung. Wenn man zufällig etwas findet, nimmt man sich die zwei Minuten und legt es für alle ab. Wo ist da das Stapeln von Gewohnheiten? Es geht mehr in die Zukunft. Wenn ich nach Ideen suche, blättere ich durch meine visuelle Inspirationsdatenbank. Das bringt mich in kreative Stimmung und manchmal ist ein kleines Detail der Auslöser für eine Idee.

Apropos Ideen: Wie kann die Strategie der kleinen Gewohnheiten Ihnen beruflich helfen? Oder Ihnen gemeinsam?

Aber denken Sie aber immer daran, die Veränderungen auszubalancieren. Zum Beispiel sollte bei einer eventuellen Kopplung mit Arbeitsbesprechungen die neue Gewohnheit nicht die Agenda durcheinander bringen.

Diagramm zum Erreichen der Gewohnheitslinie

Gewohnheitslinie.
Kleine Gewohnheiten, die oft genug wiederholt werden, führen zum Zustand der automatischen Gewohnheit. (Medien-Ergänzung zu Clear, 2018)

Disclaimer:
Ich habe hier (nur) ausgewählte Erkenntnisse aus dem Buch von James Clear vorgestellt.

Den Blogpost habe ich im Entwurf selbst geschrieben. Dann war ich neugierig, ob Chat GPT mir interessante Beispiele für die berufliche Nutzung vorschlägt. Trotz Verfeinerung der Prompts war nichts Geeignetes dabei. Aber ich habe den Vorschlag genutzt, mal eine neue Gewohnheit an das Ende einer Arbeitsbesprechung zu stellen. Und die vorgeschlagenen Ideen, haben mich sehr gut auf neue Ideen gebracht.

Zum Schluss habe ich den gesamten Blogpost-Text von DeepL Write in Grammatik und Ausdruck verbessern lassen. Das Feedback war fast immer sehr hilfreich.

Quellen:
Clear, James (2018) Atomic Habits: An Easy & Proven Way to Build Good Habits & Break Bad Ones
Random House Business

Clear, James (o.J.) 3 Simple Ways to Make Exercise a Habit Blogpost

Alle Übersetzungen außer dem deutschen Buchtitel von Annette Hexelschneider

Koch, A. (2018). Change mich am Arsch: Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter und sich selbst kaputtverändern. Berlin. Econ Verlag.