„Making With Data“ erkundet „Physical Design and Craft in a Data-Driven World.“ Beantwortet werden die Fragen „Wie kann man Daten eine körperliche Form geben? Und wie können diese Werke die Art und Weise verändern, wie wir Daten und deren Geschichten erleben?“ (Quelle Werbetext für das Buch).

Das Buch richtet sich an Enthusiast*innen und Expert*innen. Ich bin Data Physicalization-Enthusiastin und ich habe praktische Erfahrung mit einfacher Data Physicalization, sowohl in der Anleitung in der Lehre als auch in der eigenen Umsetzung (Links zu Blogposts dazu siehe unten).

Den Verlag habe ich um ein Rezensionsexemplar gebeten, weil ich das Fachbuch von der Beschreibung her für sehr wichtig hielt. Meine Lektüre hat das bestätigt.
Wenn sie sich Daten greifbar/er machen möchten, kann diese Buchbesprechung interessant für Sie sein.

Alle Zitate und Seitenangaben stammen aus dem Buch von Huron et al., 2023.
Titelbild – Pressebild der Herausgeber*innen.
Die Übersetzungen der Zitate des englischen Buchtextes sind von mir.

 

Das Buch füllt eine Lücke

Bisher habe ich als Referenz für Data Physicalization diese Zeitleiste mit Beispielen genutzt. Leider scheint sie nicht mehr aktualisiert zu werden.
Außerdem sammle ich aus Newslettern und Social Media Beispiele in einem Pinterest Board.
Noch mehr Funde kann man in Portalen wissenschaftlicher Artikel machen. Das ist hilfreich, jedoch schien es kein übergreifendes Fachbuch zu geben. Dann wurde ich auf „Making With Data“ aufmerksam.

Es ist ein umfassendes, vielfältiges Nachschlagewerk:

  • In 5 Kategorien („Handcraft, Participation, Digital Production, Actuation, Environment“) werden 24 Data Physicalization-Beispiele vorgestellt.
  • Zu jeder dieser 5 Kategorien gibt es ein ausführliches Vorwort von Expert*innen zu diesen Bereichen. Dieses enthalten wiederum viele Beispiele und wertvolle Literaturverweise.
  • Jedes der 24 Beispiele wird ausführlich in Text und Bild vorgestellt. Sie haben eine einheitliche Struktur: „Schöpfer*in, Motivation und Inspiration für das Projekt, Herangehen und Schritte, verwendete Materialien und Werkzeuge, Reflexion des Projektes“.

Buchstruktur von Making With Data
Buchstruktur
Im letzten Kapitel sind es abweichend von der Grafik 4 Beispiele.

Das Buch ist dabei eine Augenweide. Es ist sehr übersichtlich gestaltet. Große Abbildungen (er)klären neben den Texten viel zu den Projekten.

 

Das Buch zeigt den Nutzen von Data Physicalization

Es gibt es die erwähnten fünf Kategorien und mit vielfältigen Beispielen. Darin spielt der Nutzen eine große Rolle.

Making With Data in Form anthropozäner Fussabdrücke
„Anthropozäne Fussabdrücke“
(S.74ff, Kategorie „Handcraft“, Abbildung Instagram-Account zum Buch)

Mieka West hat sich gefragt, wie Daten zu Kanadas Treibhausgas-Emissionen von Angesicht zu Angesicht erfahren werden könnten. Und was bewirkt so ein Artefakt?
Ihr Fazit: Das Vermenschlichen von Daten oder deren Verarbeiten in Geschöpfe ist ein Weg,
der Betrachter*innen ermöglicht, sich in Daten zu sehen.
Hier in Form der Quipu, einer frühen Datenvisualisierung.

 

Lass' uns mit Daten spielen
„Lass‘ uns mit Daten spielen“
(S.132ff, Kategorie „Participation“, Abbildung Instagram-Account zum Buch)

Es hat mich sehr gefreut, Jose Duarte aus Kolumbien im Buch wieder zu begegnen.
2014 hatte ich die große Chance im Rahmen von Vienna Open 2014  an einem Workshop mit ihm teilzunehmen.
Das war meine erste Begegnung mit Data Physicalization.
Im Buch wird sein „Lass‘ uns mit Daten spielen“-Baukasten für Bürger*innen vorgestellt.
Dieser nützt Menschen, um Daten in ihrer Nachbarschaft zu erheben,
deren Bedeutung für die Community zu erkennen und zu diskutieren.
Das können zum Beispiel Mobilitätsdaten sein.

 

Making With Data in Form von Wage Islands
„Wage Islands“
(S.198ff, Kategorie „Digital Production“, Abbildung Instagram-Account zum Buch)

Ekene Ijeoma zeigte wie die Wohnungskosten Menschen mit geringem Einkommen in New York „überfluten“. Dabei überbrückt er die Lücke zwischen Fakten und Gefühlen mit einer bekannten und intuitiven Metapher. Hinzu kommt der Nutzen, dass man erkennt, was Lohnerhöhungen ändern könnten.
Dafür drückt man einen Knopf. Er erhöht schrittweise den Lohn.
Parallel dazu fährt die Installation – statistisch korrekt – schrittweise mehr aus dem Wasser.

 

Making With Data in Form von Staubmarken
„Staubmarke“
(S.358ff, Kategorie „Environment“, Abbildung Instagram-Account zum Buch)

Dietmar Offenhuber macht mit seiner Intervention städtische Umweltbelastung
auf Oberflächen im Stadtgebiet von Stuttgart lesbar.

Ein Beispiel zu dem ich mich besonders hingezogen fühle, da ich in Stuttgart gelebt habe.
Und ich kenne die Interventionsorte. Außerdem finde ich seine Idee des Reverse Graffiti genial.
Flächen werden mit Muster-Schablonen gesäubert, statt Farbe zu sprayen.
Danach findet nach und nach Verschmutzung statt und wird sichtbar.

Das ist ein sehr kleiner Ausschnitt aus dem vorgestellten Nutzen. Und ich möchte betonen, dass Data Physicalization sowohl einfach als auch aufwendiger machbar ist. Darauf gehe ich im Weiteren wieder ein. Es kommt immer auf das Ziel, die Beteiligten und die Möglichkeiten an.

 

Das Buch beschreibt offen die Herausforderungen von kreativen Prozessen

Nach und nach wird beim Lesen viel kreatives Ringen in den Projekten sichtbar. Sieht man ein kreatives Projektergebnis, ist man voller Bewunderung und fragt sich, wie es wohl dazu gekommen ist.
Manchmal besteht auch die Gefahr, das beindruckende Kreativität entmutigt. Denn sie wirkt so leicht. Und man fragt sich: „Warum fällt mir das nicht so leicht?!“

Im Buch wird sehr offen, ausführlich und detailliert das Ringen mit den Daten, Materialien, Wünschen und Zielen geschildert. Das ist ermutigend.

„Ich habe mit dieser Version weitergemacht, aber sie dann auseinandergenommen, da das Material unerwartet miteinander reagierte.“ Mieka West, gemeint ist eine Vorgängerversion vom 1.Bild oben. (S.80)

„Der Prozess von der Ideenfindung über die Erstellung und letztlich das Freilassen ‚in-die-Wildnis‘ der Nutzung war sehr lang. Es brauchte mehr als ein Jahr Arbeit.“ Robert Cercós mit „Dataponics: Menschlich-Pflanzliches Spiel“. (S.342)

 

Das Buch bietet viele Anleitungen zu Data Physicalization

Alle Beispiele werden ausführlich geschildert. Dies macht sie leicht zugänglich. Und man kann inspirierende Elemente oder Aspekte erkennen.

 

V-Falte Daten Origami
Inspiration: Mit Papier und Origami als Material und Format experimentieren.
„V-Falte Daten-Origami“ von Sara Hayes.
(S.68, 69, Abbildung Instagram-Account zum Buch).

Die Listen der verwendeten Materialien und Werkzeuge für die 24 Beispiele sind auch sehr nützlich.

Überdies zeigen Prototypen und Mockups, wie einfach man sich und anderen erste Ideen vor Augen führen kann.

 

Das Buch ermutigt zu Daten zu Data Physicalization

Das Buch verdeutlicht, wie hilfreich Data Physicalization zur Kommunikation von Daten sein kann.

Gerade in unserer Datenwelt braucht es Greifbarkeit für das Verstehen und Verständnis. Dieses Buch regt an, über die Greifbarkeit von Daten nachzudenken. Es regt an, sie selbst zu versuchen oder gemeinsam mit anderen oder das man einen Auftrag dazu vergibt.

 

Daten-Fäden
„Daten-Fäden“ der Domestic Data Streamers:
Ein partizipativer Start von Data Physicalization, der mit noch einfacheren Materialien noch einfacher möglich ist.
(S.167,
 Abbildung von der Website der Domestic Data Streamers)

 

Mehr: Einfache Beispiele in Blogposts von mir

 

Das Buch (Website inklusive Blog, mehr Beispiele gibt es in Instagram)

Huron, S., Nagel, T., Oehlberg, L., Willett, W., editors. (2023)
Making with Data: Physical Design and Craft in a Data-Driven World. First edition, AK Peters: CRC Press, 2023
ISBN 9781032182223 (Paperback)
ISBN 9781032207223 (Hardback)