Leichte Sprache ermöglicht Menschen mit Beeinträchtigungen den Zugang zu Informationen. Sie nützt auch älteren Menschen und Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Leichte Sprache verhilft zu selbstbestimmterem Handeln.

Prinzipien der Leichten Sprache erinnern außerdem daran, generell verständliche Kernbotschaften zu kommunizieren. Darum geht es in diesem Blogpost. Er bietet einen Überblick zum Thema sowie je ein Beispiel aus Wien und Berlin.

 

Was ist Leichte Sprache?

Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form der deutschen Sprache. Sie folgt bestimmten Regeln und hat das Ziel, auch Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder geringer Kompetenz in der deutschen Sprache den Zugang zu Informationen zu eröffnen. Es geht also um barrierefreie Kommunikation.

Regeln betreffen unter anderem:

  • Wortwahl. Zum Beispiel einfache, verständliche und kurze Wörter nutzen. Aktive Wörter benutzen.
  • Sätze. Zum Beispiel Schachtelsätze vermeiden.
  • Zahlen und Zeichen. Zum Beispiel Telefonnummern immer mit Leerzeichen schreiben.
  • Text. Zum Beispiel im persönlichem Stil schreiben, also die Leser ansprechen. Alles, was inhaltlich zusammen gehört, sollte nahe beieinander stehen.
  • Gestaltung und Bilder. Zum Beispiel mit dem Layout wichtige Informationen hervorheben. Aber: Bilder sollten nicht als Hintergrund benutzt werden!
    (Baden-Württemberg, 2016)

 

Wie sehen solche Texte aus?

„Im Grund-Gesetz stehen Regeln.
Alle Menschen in Deutschland müssen sich
an die Regeln halten.“ (Die Bundesregierung, 2017)

„Wenn jemand tot ist,
bescheinigen wir seinen Tod durch eine Urkunde.
Diese Urkunde nennt man Sterbe-Urkunde.“ (Straßmann, 2014)

„PANORAMA MUSEUM
Das Museum findet man am Residenzplatz 9.
Im Museum sieht man ein sehr großes Rundgemälde (Glossar).
Der Künstler, der das Bild gemalt hat, heißt Johann Michael Sattler.“ (Salzburg Museum, o.J.)

Zwei weitere Beispiele werden unten im Blogpost mit ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Nutzen vorgestellt.

 

Wie nützt Leichte Sprache über ihren ursprünglichen Zweck hinaus?

Mit meiner Arbeit zu didaktische Reduktion und visueller Kommunikation gebe ich Studenten und Kunden Hilfe zur Selbsthilfe. Sie lernen, Relevanz aus komplexem Fachwissen zu filtern und dabei folgende Fragen zu beantworten: Was ist je nach Aufgabe für die Zielgruppe wichtig? Und wie kann man das leicht verständlich der Zielgruppe vermitteln?

Das ist nicht einfach, gerade weil wir Experten in unserem Thema sind. Was weiß jemand mit weniger Expertise und was nicht? Wo fange ich an? Wo höre ich auf? Wie wird es verständlich?

Dabei sehe ich Parallelen zur Leichten Sprache. Zum Beispiel:

Leichte Sprache Kommunikation von
komplexem Fachwissen
– meine Prinzipien
Wer kommuniziert, muss die Kernbotschaft (das Musswissen) im Fachwissen finden.
Er muss die Kernbotschaft für die Adressaten verständlich aufbereiten.
Der Umfang sollte für die Zielgruppe „verdaubar“ sein.
Die Kernbotschaft muss schnell erkennbar sein.
Auf Abkürzungen verzichten. Abkürzungen vermeiden bzw. deutlich sichtbar
im Text einführen. Und dies gleich zu Beginn.
Verben benutzen.
Aktive Wörter benutzen.
Aktive Verben zu verwenden, belebt Fachwissen.
Positive Sprache verwenden.
Das Wort nicht wird leicht übersehen.
Das Wort nicht sehr nahe am Verb platzieren.
Alles was inhaltlich zusammen gehört, sollte nahe beieinander stehen.

Das Gesetz der Nähe – Elemente mit geringen Abständen zueinander werden als zusammengehörig wahrgenommen – gilt meiner Meinung nach nicht für Bilder und Text-Bild-Kombinationen, sondern auch für Texte. Man sollte also Verweise vermeiden bzw. reduzieren. Sind sie unumgänglich, hebt man sie klar hervor. So kann der Leser die Kernbotschaft einfach vollständig erfassen.

Bilder sollten nicht als Hintergrund benutzt werden. Bilder sind keine Dekoration.
Bilder transportieren Informationen,
d.h. sie „agieren“ als Informationselement,
so wie Texte oder Diagramme.Wenn man Text und Bild
ohne Mehrwert für das Verständnis übereinander legt,
entsteht kognitive Überlastung.
Die Folge ist Ablenkung und schlimmstenfalls
Verwirrung.Dies gilt noch stärker bei Diagrammen.
Der Text sollte geprüft werden. Bei einer herausfordernden Materie oder für ein sehr
wichtiges Ziel sollte man Vertreter der Zielgruppe
den Text vorab lesen lassen. Das zeigt auch
Wertschätzung für die Zielgruppe und Testleser.

Für die gelungene Kommunikation von komplexem Fachwissen benötigt man entsprechendes Know-how und muss dieses konsequent anwenden. Es hilft auch, gute Beispiele zu lesen und sich Tricks daraus abzuschauen. Und es hilft die gelegentliche Lektüre von Texten zum Thema Leichte Sprache bzw. von Texten in Leichter Sprache. Zu finden sind sie unter anderem auf Behörden-Webseiten oder Webseiten kultureller Institutionen in den barrierefreien Bereichen.

Zwei Beispiele finden Sie im folgenden Text.

 

Leichte Sprache – Beispiel Dom Museum Wien

Im Dom Museum Wien gibt es gratis für Besucher das sehr hilfreiche Heft „Sammlungen. Einfach erklärt“ in Leichter Sprache. Auch geeignet, wenn man zwar nicht unbedingt Leichte Sprache benötigt, jedoch nicht viel religionsgeschichtliches Basiswissen besitzt.

Dom Museum Wien Leichte Sprache

Katja Brandes, Leiterin des Teams Kunstvermittlung, hat meine Fragen zum Heft beantwortet.

Annette Hexelschneider (A.H.): Was hat Sie bewogen, dieses Heft zu erstellen?

Katja Brandes (K.B.): Da uns Barrierefreiheit ein wichtiges Anliegen ist, haben wir bei der Förderausschreibung des Bundeskanzleramt INKLUSIVES MUSEUM eingereicht – und hatten Erfolg!

Die Fördersumme wollten wir in Vermittlung auf unterschiedlichen Ebenen (medial und personell) investieren:

  • Begleithefte Leicht Lesen – hier haben wir uns für den in unseren Augen „inklusiveren“ Begriff EINFACH ERKLÄRT entschieden.
  • Entwicklung von 3D-Tastreliefs des Rudolf-Porträts und eines Ausschnitts seiner Grabhülle mit arabischer Schrift
  • Workshop-Reihe „Dem Zentrum so nah“ in Kooperation mit Tageszentren, die Menschen mit Demenz betreuen

A.H.: Wie sind Sie vorgegangen?

K.B.: Nach Recherche von Übersetzungsbüros haben wir uns für den in Wien ansässigen Anbieter Capito Wien – Auftakt Services entschieden.

Zunächst hat meine eigentlich für wissenschaftliche Recherche zuständige Kollegin – eine exzellente Textlektorin – an einem eintägigen Workshop von Capito Wien teilgenommen.

Zur Übersetzung haben wir dann die für unseren Mediaguide geschriebenen Texte herangezogen, da sie bereits auf gut verständliche Hörtexte hin verfasst sind.
In intensivem Dialog mit meiner inhaltlich kompetenten Kollegin wurden diese Texte von der Capito-Übersetzerin auf die wesentlichen Aussagen heruntergebrochen.
Wir haben im Prozess entschieden, ein Glossar für wiederkehrende Begriffe aus dem Kirchen- und Kunstbereich hinzuzufügen.

Doppelseite Dom Museum Wien Leichte Sprache

Doppelseite 60/61

Die unterstrichenen Begriffe werden in dem Glossar am Endes des Heftes erklärt

Eine Prüfperson hat Probe gelesen, der grafische Satz wurde auf Kriterien Leicht Lesen geprüft.
Abschließend hat eine Lektorin von Capito Wien die Texte endgeprüft.

A.H.: Vielen Dank.

 

Leichte Sprache – Beispiel Schaubilder für juristische Texte

Auf Twitter bin ich Nicola Pridik begegnet. Sie ist Inhaberin des Büros für klare Rechtskommunikation in Berlin und macht für Nicht-Juristen einschlägige Regelungen verständlich. Seit kurzem erstellt sie auch Schaubilder zu Texten in Leichter Sprache.

Leichte Sprache Schaubild Erbe Pridik

Annette Hexelschneider (A.H.): Warum erstellen Sie Schaubilder für juristische Texte in Leichter Sprache?

Nicola Pridik (N.P.): Juristische Schaubilder als solche erstelle ich schon seit vielen Jahren. Zum einen ist es mir ein Herzensanliegen, Rechtsinformationen für andere verständlich aufzubereiten, zum anderen liebe ich die Tätigkeit der Rechtsvisualisierung: Es macht mir einfach viel Spaß, Informationen zu strukturieren, wesentliche Inhalte herauszuarbeiten und das Ganze optisch ansprechend zu verpacken.

Wie kam nun die Leichte Sprache dazu? Das Thema beschäftigt mich schon länger, weil es hier ebenfalls um Verständlichkeit geht. Dabei fiel mir auf, dass es in Leichter Sprache äußerst schwierig ist, juristische Strukturen über Texte zu vermitteln, so wie es in der Fach- und Standardsprache möglich ist. Das hat u.a. damit zu tun, dass in der Leichten Sprache nur kurze Hauptsätze erlaubt sind. Die Möglichkeiten, einzelne Sätze aufeinander zu beziehen, sind damit stark eingeschränkt. Hinzu kommen zahlreiche Erklärungen, die den roten Faden des Inhalts immer wieder unterbrechen, um das Verstehen einzelner Wörter zu ermöglichen. Die Leser können in der Folge zwar die einzelnen Sätze eines Textes lesen und verstehen, sie verlieren aber die Zusammenhänge und Strukturen aus dem Blick und sehen sprichwörtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Das macht es für sie besonders schwer, juristische Inhalte zu verstehen, denn im Recht stehen Informationen, Regeln, Vorgaben, Begriffe oder Personen selten für sich. Sie sind vielmehr Teil eines Gefüges, das es zu erfassen gilt. Oder anders gesagt: Das Recht erschließt sich im Wesentlichen über seine Strukturen. Besonders offensichtlich wird das bei Verfahrensabläufen, Systematiken, Zeitabfolgen, Rechtsmodellen, Personenkonstellationen und Vergleichen.

Schaubilder können zum Verständnis juristischer Inhalte beitragen, weil sie Strukturen sichtbar machen, die ein Text nur beschreiben kann. Wenn bei Texten in Leichter Sprache aber sogar die Beschreibung schwierig ist, liegt es nahe, auch und gerade hier juristische Schaubilder einzusetzen. Also habe ich geschaut, wie sich beides miteinander kombinieren lässt.

A.H.: Wie gehen Sie vor?

N.P.: Zunächst beschäftige ich mich intensiv mit dem juristischen Inhalt, denn die Grundvoraussetzung für die Visualisierung ist, dass ich den Inhalt nicht nur verstanden, sondern regelrecht durchdrungen habe. Sonst könnte ich ihn nicht in dieser extremen Form reduzieren. Dann heißt es, das Thema für das Schaubild festzulegen: Welche Struktur will ich genau visualisieren? Welchen Zusammenhang soll der Betrachter verstehen? Dabei muss auch das Format der Publikation mitbedacht werden: Je weniger Platz zur Verfügung steht, desto einfacher muss die Struktur gestrickt sein, die visualisiert werden soll. Trotzdem sind Platzprobleme allein schon wegen der Layout-Regeln, die für Leichte-Sprache-Texte gelten, ein ständiger Begleiter bei der Visualisierung.

An diese Überlegungen schließt sich die eigentliche Visualisierung an, die häufig zur Puzzlearbeit wird. Es heißt, die Inhalte in aller Kürze und trotzdem inhaltlich klar zu formulieren, die Strukturen zu visualisieren, einzelne Inhalte durch Piktogramme/Icons zu ergänzen und bei all dem die Leichte-Sprache-Regeln zu beachten. Das Problem ist: Schaubilder können zwar einerseits helfen, Inhalte zu verstehen, sie können den Betrachter aber auch sehr schnell verwirren, weil er z. B. die Leserichtung nicht erkennt oder rätseln muss, was ein Piktogramm bedeutet. Hier sind die Anforderungen im Leichte-Sprache-Kontext besonders hoch. Und am Ende soll alles natürlich auch noch aufgeräumt und ansprechend aussehen.

Die Leichte-Sprache-Schaubilder, die ich bisher erstellt habe, sind fast alle in Eigeninitiative entstanden. Im Falle von Aufträgen würde ich z. B. Übersetzungsbüros zuarbeiten, die wiederum mit Prüfgruppen zusammenarbeiten.

A.H.: Vielen Dank.

 

Vortrag Brezel Leichte Sprache

(Bredel, 2017)

Danke auch an die Instagramers Austria, mit denen ich die Gelegenheit hatte, bereits vor der Neueröffnung das Dom Museum Wien zu besuchen.

Quellen:
(Baden-Württemberg, 2016) Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, Clauss, Petra et al. (2016) Leichte Sprache in der Verwaltung. Eine Handreichung für Verwaltungen in Baden-Württemberg. Stuttgart

(Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2014) Bundesministerium für Arbeit und Soziales – Referat Information, Monitoring, Bürgerservice, Bibliothek (2014) Leichte Sprache. Ein Ratgeber. Bonn.

(Bredel, 2017) Bredel, U. (2017) Leichte Sprache und Inklusion – am Beispiel der inklusiven Schule. Kolloquium „Leichte Sprache – Verständliche Sprache“ am Institut für Deutsche Sprache, Mannheim

(Die Bundesregierung, 2017) Die Bundesregierung (2017) Aufgaben der Bundes-Kanzlerin

(Salzburg Museum, o.J.) (o.J.) Salzburg Museum – Barrierefrei – Leichte Sprache

(Straßmann, 2014) Straßmann, Burkhard (2014) Deutsch light. In: Zeit Online

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