Im Frühjahr 2020 bin ich durch mein Arbeitsleben gerannt. Diese Jahreszeit ist ohnehin immer Hochsaison für mich. Doch in diesem Jahr kam die Umstellung hinzu, nur online zu arbeiten. Ich hatte Erfahrung in der Online-Arbeit, doch immer im Mix mit Offline-Arbeit. Ganz schnell vollständig online zu arbeiten – die damit verbundenen Herausforderungen brachten eine Menge an neuen Erfahrungen mit sich. Was ich mir in dieser Zeit erarbeitet habe, will ich auch in Zukunft nutzen. Um Wissenwerte in diesen Erfahrungen zu erkennen, habe ich mir drei Schritte der Reflexion überlegt. Diesen „Dreisprung“ teile ich hier.
Ein „Dreisprung“ der Reflexion
„Reflexion ist die Fähigkeit des Menschen, Bedingungen und Wirkungen eigenen Denkens und Handelns zu durchschauen.“ Horst Siebert, deutscher Erziehungswissenschaftler.
Reflexion ist mir immer wichtig. Mein Leben in drei Ländern und zwei Gesellschaftssystemen; als Mitarbeitende, im Management und jetzt als Selbständige ist geprägt von vielen Veränderungen. Reflexion gehört für mich zu meiner Wissenswertschöpfungskette. Denn reflektierendes Denken ist laut dem Philosophen und Pädagogen John Dewey Teil des Lernens.
Zahlreiche Reflexionsmodelle und -Konzepte wurden von Experten wie John Dewey, Klaus Holzkamp, David A. Kolb, Donald A. Schön, David Boud, Rosemarie Keogh & David Walker, Graham Gibbs und Horst Siebert entwickelt. Warum wähle ich für mich eine neue Herangehensweise? Basierend auf Übereinstimmungen der Modelle und Konzepte der genannten Experten möchte ich für mich bewährte Methoden nutzen, um zurück zu blicken. Dabei ist dieser private „Dreisprung“ als Experiment entstanden, an dem ich Sie teilhaben lasse:
I. Warm-up in Blogpost zu Schritt I.
II. Systematische Reflexion in Blogpost zu Schritt II.
III. Erkenntnisse in Handeln überführen in Blogpost zu Schritt III.
Was mit uns dieses Jahr passiert ist, ist zu umwälzend, um nur ein wenig zurück zu schauen.
Mein SMARTES Ziel dafür:
Mit meinem Rückblick auf meine Online-Arbeit vom Frühjahr 2020 habe ich erkannt, was ich in der (Online-)Arbeit tun, mehr tun und was ich weniger beziehungsweise nicht tun sollte. Die Erkenntnisse habe ich in Handeln überführt.
Es kann gut sein, dass sich im Laufe der drei Schritte das Ziel ändert. Vielleicht ist es auch gut, erst mal gar kein Ziel zu haben oder es zumindest im Schritt 1 beiseite zu lassen.
Reflexionsschritt I: Warm-up
Warm-ups in Kreativitätsprozessen wecken kreative Potentiale und aktivieren eine kreative Geisteshaltung. (Blumenschein, Ehlers, 2007) In der Reflexion wecken sie durch freies Erkunden Erinnerungen. Die folgenden Methoden haben sich in meinen Projekten und meiner Lehre bewährt.
a) Frei, mit Metaphern Erinnerungen auf die Spur kommen
Metaphern können ein Zugang zu unserem impliziten Wissen sein. Sehr geeignet finde ich die „New Metaphors”-Karten der IMAGINARIES LAB, CARNEGIE MELLON UNIVERSITY. (Locton et al, 2019)
Man kann die Karten ausdrucken und eine auswählen. Oder man nutzt das PDF, überlegt sich eine (Seiten-)Zahl und „taucht“ in das Bildkartenset „ein“. Oder man würfelt mehrmals für eine zwei- oder dreistellige Zahl und geht zu dem gewürfelten Bild.
Dabei lässt man sich beim Rückblick nur vom Bild leiten oder auch von dem noch sehr offenen Text darin.
Welche Erkenntnisse kommen an’s Licht? Welche sollten in den Schritt II mitgenommen werden? Ein Screenshot der Metapher plus Gedanken dazu konserviert die Erkenntnisse.
b) Geführt, mit einzelnen Fragen, einzelne Erfahrungen erkunden
Hier eine Auswahl an Fragen, die ich beruflich im Wissenstransfer nutze, adaptiert für die persönliche Reflexion:
- Worauf sind bin ich stolz?
- Was hat mich in dieser Zeit besonders überrascht?
- Wofür bin ich dankbar?
- Was ist nicht gelungen?
- Wenn ich meinem Ich Mitte März 2020 einen Tipp geben könnte, welcher wäre das?
- Und hätte ich nur 1 Wort für diese Zeit, welches wäre das?
Johanna Amlacher hat mich kürzlich mit einer Aufwachfrage
daran erinnert, wie viele Erfahrungsgeschichten ich in dieser Zeit gehört habe.
- Was ist mir aus diesen Geschichten in Erinnerung geblieben?
- Was nehme ich daraus mit?
Und hier noch ein Fragenpaket:
Schon Mitte März hat Joël Luc Cachelin 56 Reflexionsfragen gestellt. Viele daraus kann man auch heute noch für die persönliche Reflexion nutzen, zum Beispiel:
c) Frage + Metapher oder Metapher + Frage
Auch eine Kombination beider Methoden kann Interessantes an’s Licht bringen
+ Wenn ich meinem Ich Mitte März 2020 einen Tipp geben könnte, welcher wäre das?
Man kann zuerst die Frage auswählen und dann Zahlen würfeln für die Seitenzahl der Metaphernkarten. Bringt dies keinen Erinnerungen, wechselt man die Metaphernkarte. Natürlich kann man auch mit einer Metapher beginnen und dann eine Frage wählen oder aus einem Stapel von Zetteln ziehen. Lassen Sie sich überraschen!
Mit diesen Methoden kann man mit wenig Aufwand frei zurückschauen. So aufgewärmt folgt Schritt II und zum Abschluss Schritt 3.
Mehr:
Einen sehr guten Überblick über Reflexionsmodelle und -Konzepte gibt
Hilzensauer, Wolf (2008) Theoretische Zugänge und Methoden zur Reflexion des Lernens. Ein Diskussionsbeitrag. Bildungsforschung 5 (2008) 2, 18 S.
Metaphern sind faszinierende Instrumente.
Besonders wichtig im Zusammenhang mit dem oben genannten Herangehen finde ich diesen Fachartikel
Moser, Karin S. (2000). Metaphor Analysis in Psychology—Method, Theory, and Fields of Application. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(2), Art. 21.
Zur Nutzung von Metaphern im Umgang mit Fachwissen habe ich hier im Blog viele Tipps gegeben.
Quellen:
Titelbild Edu Lauton frei aus unsplash.com
Blumenschein, Ehlers, 2007
Blumenschein, Annette, Ehlers Ingrid Ute (2007) Ideen managen. Eine verlässliche Navigation im Kreativprozess. Rosenberger Fachverlag
Locton et al, 2019
Locton, D., Singh, D., Sabnis, S., Chon, M., Foley, S., Pantoja, A. (2019) New Metaphors. A Workshop Method for Generating Ideas and Reframing Problems in Design and Beyond. IMAGINARIES LAB, CARNEGIE MELLON UNIVERSITY
Hinterlasse einen Kommentar