Sein eigenes Wissen und seinen eigenen Wissenszuwachs gut zu steuern und gut zu nutzen, ist eine große Chance für persönliche Weiterentwicklung. Doch wie sieht das in der Praxis aus? Man überblickt es bei sich selbst. Doch was tun andere Menschen? Und was kann man davon lernen? Ich habe Frauen und Männer in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihrem persönlichen Wissensmanagement gefragt. Sie geben ihre Erfahrungen und Tipps in den Folgen dieser Blogpostserie weiter.

Bevor Sie Thomas Michl etwas näher kennen lernen, möchte ich noch erzählen, wie ich meine Gesprächspartner ausgewählt habe. Ich kenne und schätze alle schon länger. Mit Regina Schlager, sie folgt im Teil 3, verbindet mich viel gemeinsame Lebenserfahrung, beruflich und privat. Angelika Mittelmann, sie hat diese Serie mit dem Teil 1 eröffnet, habe ich zuerst von ihren Publikationen her schätzen gelernt und seit mehreren Jahren kenne ich sie persönlich – privat und beruflich. Meinen heutige Interview-Gast kenne ich zwar schon viele Jahre, aber „nur“ aus Google+, Twitter und LinkedIn. Diese Konstellationen des Bekanntseins ziehen sich auch durch die angedachten weiteren Teile.

Alle eint für mich, dass ich bewundere, was ich vor den Interviews von ihrem persönlichen Wissensmanagement gesehen habe. Dies hat sich in den Interviews vertieft.

Wichtig ist mir auch, dass sie alle sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sind, in unterschiedlichem Alter, Frauen und Männer, in verschiedenen Branchen arbeitend, fest angestellt und freiberuflich. Außerdem haben sie eine unterschiedliche Beziehung zu Wissensmanagement.

Das alles ist mir deshalb wichtig, damit die Blogposts verschieden Wege zeigen und verschiedenen Inspirationen beinhalten.

Nun noch kurz ein Wort zu Informationen, Wissen und persönlichem Wissensmanagement. Wer mich kennt, weiß dass ich das immer erst mal alles definiere, bevor die Arbeit losgeht. Doch hier nicht. Das hat diverse Gründe. Der wichtigste für diese Serie: die individuelle Haltung zu Informationen, Wissen und persönlichem Wissensmanagement zählt in den Berichten.

Nun teilt seine Erfahrungen und Wege im persönlichen Wissensmanagement aus Weinsberg in Baden-Württemberg (Deutschland)

Thomas Michl

Er ist studierter Diplom-Verwaltungswissenschaftler und Master of Business Administration. Nach über 9 Jahren bei einer Stadtverwaltung als Kulturamtsleiter, Fachkraft für Bürgerschaftliches Engagement, Stabsstelle für Kultur und Sonderaufgaben wechselte er im 2018 und arbeitet als Agile Coach für die EXXETA AG in Karlsruhe. Der öffentlichen Verwaltung ist er bis heute eng verbunden geblieben und engagiert sich ehrenamtlich als Gründungs- und Vorstandsmitglied des Forums Agile Verwaltung e. V. (FAV) für mehr Agilität in der öffentlichen Verwaltung.

Er ist Mitherausgeber des Buchs Agile Verwaltung – Wie der Öffentliche Dienst aus der Gegenwart die Zukunft entwickeln kann (Springer, 2018). Regelmäßig schreibt er für den Blog des FAV Artikel und betreibt Toms Gedankenkblog.

Thomas Michl Buch

 

Scanner und Generalist. Lernen und Wissen

„Persönliches Wissensmanagement? Ich mache es, weil es mir Spaß macht.“ Thomas Michl ist ein Informationsjäger, eine sogenannte Scanner-Persönlichkeit. Scanner-Menschen haben viele Interessen, in die sie sich stürzen. Mal widmen sie sich ihnen gleichzeitig, mal wechseln sie diese ab. Sie sind sehr offen für Vieles. Das kann Fluch und Segen sein. Fluch: Wo fängt man an, wo hört man auf? Segen: Thomas lernt so immer und immer wieder dazu. Vernetzungen entstehen, Informationen formen Wissensstrukturen. Thomas ist „berüchtigt“ ;-) dafür, dass auch plötzlich unvermutet Zusammenhänge in und mit ihm entstehen. Das kann bei einem Kundengespräch mit einem Anruf in den USA sein oder in den Ferien, wenn er ein Lied in einem irischen Pub hinterfragt. Das Lied führte ihn zum Beispiel über viele Wege, über zwei Kontinente unter anderem zur Badischen Revolution bis nach Wien im Jahr 1848.

Wie systematisiert man mit so einer Persönlichkeit sein persönliches Wissensmanagement? Zuerst einmal ist da das Finden. Dank Social Media lässt sich das gut strukturieren. Der klassische RSS-Reader ist für Thomas die Quelle mit ca. 90% Anteil an seinen Funden. Damit dass gut funktioniert, investiert er auch viel Zeit in die Anlage und Pflege des Readers. Aus Diskussionen in Twitter und Büchern (klassisch gedruckt oder digital) bezieht er ebenfalls viel Informationen.

Darauf aufbauender persönlicher Austausch lässt mehr Querverbindungen entstehen – bei ihm und allen Beteiligten. Wie wichtig das für die Weiterentwicklung der eigenen Wissensstruktur ist, zeigt die Pandemie, die diesen Austausch leider etwas reduziert.

Und wie behält Thomas den Überblick? Sein Traum ist eigentlich der eigene Zettelkasten à la Luhmann. Doch das bedeutet, viel Energie und Disziplin in all die „Zettel“ und Querverweise zu investieren. Bewährt hat sich stattdessen Pragmatismus. „Simpel, einfach. Stichwortsuche und zack ich hab’s. Je einfacher desto besser wird es auch gepflegt.“ Dazu verhilft Thomas ein Eigenbau mit Evernote. Möglich wäre das natürlich mit jeden anderen digitalen Notizbuch auch. Er kombiniert diese digitale Variante mit einem Tages-Papiernotizbuch. „Ich brauch ein System auf das ich mich verlassen kann. So finde ich die Dinge wieder.“

Grafisch hat Thomas, das Gefühl, ist er leider nicht so unterwegs. „Finde ich genial, herrliche Karten mit Querverweisen.“ Doch eben nicht sein Ding was die Erstellung angeht.

Wiederfinden, wiederverwenden – das ist sein Prinzip. Das Ausgewertete und Zusammengetragene wiederfinden, damit er es weiter verknüpfen kann.

So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich ist ihre Art, wie sie Wissen erwerben und weitergeben. Dabei sollte man nicht nur auf die Lerntypen schauen, sondern auch, ob man Generalist ist oder Spezialist.

 

„Schafft das den Wertbeitrag, denn Du heute leisten wolltest?“

Meine Hypothese: Es scheint, Generalisten haben es etwas schwerer mit dem persönlichen Wissensmanagement. Sie sehen zu breit „Verführungen“ zum Lernen und Wissen.

Von außen nehme ich Thomas als strukturierten und dosierten Weitergeber war. Innen braucht es für ihn viel Selbstdisziplin im Umgang mit den Wissens-„Verführungen“.
Damit das gelingt, immer besser gelingt, nutzt er Hilfen dafür. Sehr hilft die 18min-Regel (nach Peter Bregman). Mit den regelmäßigen Fragen

  • Was bringt’s mir jetzt im Augenblick, was ich tue?
  • Bringt mich weiter was ich mache?
  • Schaffe ich so was ich heute leisten wollte?

hält er Kurs.

Die 18min-Regel beinhaltet bewusstes Innehalten und dabei Fokus aufs Wissens- und Arbeitsziel. Stationär zu Hause oder im Büro ist das leichter umzusetzen als unterwegs. Weil stationär tatsächlich Tagesziele auf dem Papier vor den Augen an der Wand hängen.

 

Aktiv Querverbindungen finden

„Ich will verstehen und suche nach den Wurzeln in der Tiefe. Ich gebe mich nicht mit einer neuen Methode zufrieden, ich will wissen, wo es herkommt, um zu verstehen.“

Und das braucht auch ein Reifen. „In meinem Studium, im 1., 2. Semester, da fehlte mir der Nutzen. Ich habe keine Querverbindungen gesehen. Einer meiner Professoren hat gesagt: ‚Wenn ich als Student gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich jetzt den Nobelpreis!‘ Erst im Laufe der Jahre, dadurch dass man Vernetzungen erkennt und erlernt, sieht man mehr Zusammenhänge und weiß so viel mehr.“
Zum Beispiel: Zu Zeiten als das Thema Agilität noch sehr ITlastig war, Thomas ist kein ITler, fiel ihm immer mal wieder auf, dass dort vorkommende Probleme andere Disziplinen schon längst „geknackt“ hatten.

Wenn Thomas in unserm Gespräch in Zoom auf den Erkenntnisgewinn der Zusammenhänge und deren Nutzen zu sprechen kommt, klingt daraus sehr viel Entdeckerfreude. So viel Begeisterung, dass wäre eigentlich ein Werbclip für persönliches Wissensmanagement!

Ein bissel gibt mir das zu denken, warum nicht auch Wissensmanagement in der Firma so begeistert. Denn Thomas nutzt ja sein Wissen auch begeistert für seine Arbeit. Ok, ich ahne XX erste Antworten… Doch lohnt es sich da näher hinzuschauen. Thomas hat mich angesteckt mit Querverbindungen :-)

 

Erhalten und weitergeben

„Was bringt mir das persönliche Wissen, wenn davon keiner weiter profitiert. Viel kommt ja auch von außen zu mir, dann muss ich es auch teilen.“ Thomas nutzt sehr viele unterschiedliche Teilungswege, und „Packungsgrößen“ dafür. Und dann ist da ja auch sein Handeln, seine Arbeit mit dem erworbenen persönlichen Wissen. Fragt man ihn nach seiner Triebfeder, bezieht er sich auf Karl R. Popper. Eines seiner Lieblingszitate:

„Ein Rationalist ist einfach ein Mensch, dem mehr daran gelegen ist zu lernen, als recht zu behalten; der bereit ist, von anderen zu lernen, nicht etwa dadurch, dass er die fremde Meinung einfach annimmt, sondern dadurch, dass er gerne seine Ideen kritisieren lässt und gerne die Ideen anderer kritisiert.“ [Karl R. Popper, (2005):160]

Danke

Ich danke Thomas sehr herzlich für seine Zeit und Offenheit. So sind wir sind uns zum ersten Mal über Google+, LinkedIn und Twitter hinaus in Zoom begegnet.

Ich bin auch etwas Scanner-Persönlichkeit, da hilft es mir anderen Scanner-Persönlichkeiten zu begegnen, also zu lernen, wie andere Menschen damit umgehen.

Thomas und ich freuen uns über Feedback in den Kommentaren.

 

Mehr zu Thomas Michl

Toms Gedankenblog

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Buch: Bartonitz, M., Lévesque, V., Michl, Th., Steinbrecher, W., Vonhof, C., Wagner, L. (Hrsg.): Agile Verwaltung – Wie der Öffentliche Dienst aus der Gegenwart die Zukunft entwickeln kann (Springer, 2018)

Gastbeiträge in Blogs (Auszug)
Agilität in der öffentichen Verwaltung

Agile Verwaltung und Kommunalpolitik

Demokratie ist mehr als nur abstimmen (1)

Demokratie ist mehr als nur abstimmen (2)

 

Links zu Tipps von Thomas
Zettelkasten von Niklas Luhmann

Evernote

18 Minuten-Regel

[Karl R. Popper, (2005):160] Popper, Karl R. (2005) Alles Leben ist Problemlösen, München 2005

 

Fortsetzung folgt

Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind, was persönliches Wissensmanagement für andere Menschen bedeutet, lesen Sie den Teil 1 und den Teil 3 sowie den Teil 4. Und bleiben Sie dran. Diese Serie wird fortgesetzt.

Titelbild Bob Jansen frei auf Unsplash.