Sein eigenes Wissen und seinen eigenen Wissenszuwachs gut zu steuern und gut zu nutzen, ist eine große Chance für persönliche Weiterentwicklung. Doch wie sieht das in der Praxis aus? Man überblickt es bei sich selbst. Doch was tun andere Menschen? Und was kann man davon lernen? Ich habe Frauen und Männer in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihrem persönlichen Wissensmanagement gefragt. Sie geben ihre Erfahrungen und Tipps in den Folgen dieser Blogpostserie weiter.

Nach Angelika Mittelmann in Linz (Österreich), Thomas Michl in Weinsberg (Deutschland) und Regina Schlager in Zürich (Schweiz) führt uns dieser Beitrag nach Wien in Österreich zu

 

Thomas Harbich

Er studierte Geografie und Geschichte für das Lehramt und arbeitet in der Studienzulassung der Universität Wien. Und Thomas hat eine Leidenschaft, ein Hobby: den #WienFakt. Damit kommt in dieser Serie eine Facette hinzu, die auch dabei war in den anderen Teilen, hier jedoch im Mittelpunkt steht.

Thomas habe ich auf einer Stadtwanderung der Grünen im 22.Bezirk kennengelernt. Ich ging ein paarmal neben ihm her und war schwer beeindruckt von seinem Wienspezialwissen. Das waren so viel unterhaltsame Fakten zu Wien. Dann bin ich ihm auf Twitter gefolgt. Und ich habe einmal an einer von ihm organisierten Expedition nach Zwentendorf (ein Kernkraftwerk, dass nie in Betrieb ging) teilgenommen. Natürlich gab es dabei eine gründliche Videoeinführung im Bus auf der Hinfahrt und als Test danach ein Quiz. Eine Bildungsreise, die nun schon 5 Jahre her ist, aber unvergessen.

Thomas ist Herr #WienFakt! Fängt man einmal an, seine Wienwissenshäppchen auf Twitter zu genießen, kommt man nicht mehr davon los :-D Diese sind interessant bis verblüffend, oft lustig und immer anschlussfähig in den Wiener Alltag. Mit anschlussfähig meine ich, dass man dadurch immer noch mehr sehender durch Wien geht. Sie merken, ich bin ein Fan :-) Am Tag an dem ich diesen Blogpost veröffentliche (20.9.2021) erscheint der #WienFakt Nr. 2525 (Link am Ende dieses Beitrags) Die #WienFakten-Serie läuft im Oktober 2021 schon 7 Jahre. Sie haben es erkannt? #WienFakten erscheinen täglich!

Wie sieht es nun das persönliche Wissensmanagement für ein Hobby hinter den Kulissen aus? Dazu hier mehr.

 

Persönliches Wissensmanagement für eine persönliche Leidenschaft

Thomas ist schon immer jemand gewesen, der sehr strukturiert arbeitet und archiviert. Seine Arbeit und sein Hobby sind zwar verschieden im Inhalt. Doch wird in beiden sehr strukturiert mit diverser Software gearbeitet. Dadurch fällt der inhaltliche Unterschied nicht so ins Gewicht beim Organisieren des Hobbies, also der Wien-Inhalte. Dies finde ich eine bemerkenswerte Gelingensbedingung für persönliches Wissensmanagement. Natürlich nutzt Thomas im Hobby darüber hinaus noch weitere Mittel, wie kreative Auswertungen des Interesses an seinen Tweets.

Doch beginnen wir beim Anfang. Der Start eines persönlichen Interesses beeinflusst die Art und Weise des persönlichen Wissensmanagements. Thomas ist neugierig und beobachtet gern die Stadt Wien. Außerdem mag er Rätsel – gelöste Rätsel. Und wenn er ein Wien-Rätsel gelöst hat, möchte er die Auflösung mit anderen teilen, die vielleicht die Zeit nicht haben, dies zu bemerken beziehungsweise zu ergründen. Wichtig ist ihm, die WienFakten auf unterhaltsame und spannende Weise rüberzubringen, damit es für die Leser leicht wird, sich den Fakt zu merken. Unterhaltsam, lustig, aber fundiert mit einer immer mehrfach (!) geprüften Grundaussage.

Einen WienFakt hätten Sie jetzt gern? Wir haben uns für diesen Blogpost in der Nähe vom Schottentor unterhalten, da passt dieser WienFakt:

Persönliches Wissensmanagement - Wien Wissen

Das sein WienFaktenwissen hängen bleibt bei seinen Lesern erfährt Thomas oft aus Feedback Zum Beispiel, wenn dann jemand an so einer Stelle war und es dort und ihm weitererzählt. Wienwissenstransfer :-) Motivation für Thomas.

Ein grundlegendes Prinzip, also Ehrensache, ist für ihn Fakten herauszuarbeiten, die nicht in jedem Reiseführer stehen. Durch seine Auswertungen sieht er danach, was wie ankommt. Worauf er eingeht, aber auch Fakten bringt, die er spannend findet und die vielleicht nicht alle interessieren. Meine Meinung dazu: es ist ja sein Wissen.
Was geht immer? Ganz klassisch der Tod in Wien. Ein Klischee das sehr lebendig ist … Was macht Thomas daraus?

Zentralfriedhof Wien @tom_harb

Dafür gräbt er gern in Wissensdatenbanken, Archiven, bis hin zu „handgeschrieben Datenbanken“. Es scheint mir eine indirekte Gelingensbedingung für persönliches Wissensmanagement zu sein, zu sehen wie andere Wissen organisierten und organisieren. Damit bekommt man die Chance, zu erkennen, was einem taugt und was nicht.

 

Der Weg vom Wienwissen zum #WienFakt

Und wie ist nun der Weg vom Wienwissen von Thomas bis zum Tweet? Zumeist startet Thomas mit einem kurzen Vorlauf. Einen seiner Gründe dafür finde ich sehr ethisch. Man weiß nie, was in der Stadt oder darüber hinaus passieren könnte, das mit einem bereits vorprogrammierten Tweet inhaltlich unglücklich zusammenfällt. Wie oben schon angedeutet, ist Thomas auch die Qualität seiner #WienFakten sehr wichtig. Mindestens 3 unterschiedliche Quellen müssen den Fakt belegen. Qualität + Neuigkeitswert + eine Portion Wiener Schmäh = #WienFakt.

Dafür sammelt Thomas sehr flexibel, ad hoc kommende Ideen als Notizen auf leuchtendem Papier. So entsteht ein leicht auffindbares Reservoir, falls ihm einmal nicht Neues für einen #WienFakt einfällt. Und ich darf es verraten, es gibt einen offensichtlichen und doch bisher geheimen :-) Aspekt seines Wissensmanagements: Ein Reizwort, dass ihm zum Wiederfinden dient. Das klingt vielleicht nicht spektakulär. Doch das ist ja nicht alles! Thomas recherchiert durchschnittlich so ca. 1 – 1,5 Stunden/Tweet. Damit verbunden ist, dass seine Wissensdatenbank im Kopf – ich finde, es ist eine Art Gedächtnispalast – sich in Quantität und Qualität ständig weiterentwickelt. Das Reizwort ist dann das „Sprungbrett“ an die passende Stelle im Gedächtnispalast. Bleiben wir beim Zentralfriedhof. Schreibt jemand Thomas zu dem Eindruck, dass das Straßennetz dort riesig ist, weiß Thomas, dass er schon einmal etwas zu Länge und dem Zentralfriedhof gemacht hat. Thomas besitzt auch Kurzzusammenfassungen der Tweets inklusive Reizwort und Daten in MS Excel-Dateien. Sein Gedächtnispalast inkludiert außerdem seine Bücher mit potentiellen oder früheren Fundstellen. Für einige Internetressourcen nutzt er Bookmarks. Und sein sehr optisches Gedächtnis hilft außerdem.

Apropos Verknüpfungen. Jene, die er erkennt, bringen die Überraschung, den Schmäh in die #WienFakten. An dieser Stelle hat er mir begeistert über das Leben in den Wiener Bevölkerungsdaten berichtet. Persönliches Wissensmanagement bedeutet nicht nur Quellen zu managen, sondern das Wissen darin. Für Thomas also spannende Verbindungen herzustellen.

persönliches Wissensmanagement Autobahn Wien

Thomas nutzt Wissensmanagement auch, um seine eigene Arbeit, seinen Umgang mit Wissen später nachzuvollziehen und davon zu lernen. Mit Rückblicken in Tweetblöcken zu 100 und in Jahren. Dieses interessierte Zurückschauen auf den eigenen Umgang mit Wissen bzw. via des eigenen Wissensmanagements auf die eigene Vergangenheit ist ein sich für mich wiederholender Aha-Moment, weil ich ihn zum Beispiel auch bei meinem 3. Interview dieser Blogpostserie mit Regina Schlager hatte.

Interessant finde ich auch, dass Thomas den kreativen Akt des Tweetkreierens sehr frei von Dokumentation hält. Ich finde, dass erlaubt mehr geistigen Freiraum für die Kreativität.

Voller Respekt habe ich nun gelernt, wieviel Arbeit hinter den #WienFakten steckt. Angefangen davon, welche Quelle etwas wissen könnte, wie man dann diese erreicht, was nicht immer einfach ist. Manche Quellenorte sind auch nur zu wenigen und speziellen Zeitpunkten zugänglich.

Was empfiehlt Thomas Ihnen zu den oben bereits indirekt oder direkt gegebenen möglichen Inspirationen? Natürlich zuerst einmal das kostbare eigene Wissen vielfach und auf unterschiedliche Weise zu sichern.
Plant man persönliches Wissensmanagement oder eine gravierende Veränderung desselben, lohnt sich längeres Nachdenken („Was will ich genau?“) und mehr Zeit in die Erarbeitung einer stabilen Grundstruktur dafür sowie die Nutzung stabiler Datenformate zu investieren. Auch wenn man dadurch vermeintlich „später“ startet.
Ein übergreifendes Ordnungssystem ist ebenso wichtig. Bei Thomas bedeutet dies auch, Fotos aus Archiven allen anderen Wissensbausteinen zuordnen zu können. Und er lässt auch korrespondierende Kalendereinträge nicht außer Acht. Damit kommt er spätestens über zwei Ecken zum (Erinnerungs-)Ziel, so benötigt. Dies haben alle Interviewpartner dieser Blogpostserie bisher hervorgehoben.
Das externalisiertes Wissen ist ein Schatz. Da ist es gut, dass dies auch Vertrauenspersonen wissen.

Danke

Vielen Dank Thomas, dass Du Dir die Zeit für unser Gespräch genommen hast. Es war ein faszinierender Blick hinter die Kulissen der #WienFakten und es war viel Spaß dabei.

Mehr zu Thomas Harbich
WienFakten auf Twitter (Sie müssen nicht dafür auf Twitter sein)

Artikel über Thomas Harbich (Auswahl):

Fortsetzung folgt
Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind, was persönliches Wissensmanagement alles bedeuten kann, lesen Sie den Teil 1 und Teil 2 und Teil 3 dieser Serie.
Und bleiben Sie dran. Ich plane die Serie noch mit zwei weiteren Teilen fortzusetzen. Damit sollen es dann sechs Beiträge aus drei Ländern mit drei Frauen und drei Männern werden.

Titelbild Bob Jansen frei auf Unsplash.