Verständigung in einer Gruppe von Menschen, kann alle Beteiligten etwas weiser machen. Dieser Blogpost beschreibt dafür eine von vielen Methoden.
Sokrates soll gesagt haben: „Der Beginn der Weisheit ist die Definition der Begriffe!“. Er hat sich ausführlich mit Nichtwissen beziehungsweise dem Mangel an Weisheit auseinandergesetzt. Darum wird es hier gehen.
Ich sehe in diesem Zusammenhang die Weisheit als „einsichtsvolle Klugheit“ (Duden).
Einleitung zur Methode Galerie der Selbstverständlichkeiten©
Diese Methode kenne, schätze und nutze ich seit Anfang 2015. Sie war und ist mir immer ein guter Ausgangspunkt zu Erkenntnissen sowie zu einsichtsvoller Klugheit zu Begriffen und Themen gemeinsam mit Teilnehmenden in Projekten, Workshops und Weiterbildungen.
Erfunden haben Annette Blumenschein und Ingrid Ute Ehlers die Methode. Zuerst davon gelesen habe ich in dem Buch der beiden Autorinnen „Ideen managen. Eine verlässliche Navigation im Kreativprozess.“.
Die Galerie der Selbstverständlichkeiten© „hilft dabei , sich bewusst zu machen, welche Grundannahmen sich als selbstverständlich manifestiert haben.“ (Blumenschein, Ehlers, 2007) Sie ist ein „Ort, an dem sich Glaubenssätze, Gewohntes, nicht mehr Hinterfragtes und selbstverständlich Gewordenes aufreihen.“ (Blumenschein, Ehlers, 2007) Macht man diese sichtbar, kann Verständigung (er)folgen, die weiseres Handeln ermöglicht.
Es werden dafür förderliche oder nicht förderliche Wirkungen von Selbstverständlichkeiten sichtbar. Dies ist eine Chance, sie gemeinsam umfassend kennen zu lernen. Man kann entscheiden, ob man die Selbstverständlichkeiten weiter/mehr nutzen möchte oder nicht. Oder man überlegt persönliche und organisationale Entwicklungen.
Wenn man sich mit dieser Methode beispielsweise zu dem Begriff Wissen austauscht, erkennt man wovon man spricht, wenn man „Wissen“ sagt:
- Was verbirgt sich für alle Beteiligten hinter dem Begriff?
- Was ist daran klar, was unklar?
- Was ist von diesen Selbstvertändlichkeiten hilfreich, was ist nicht im Umgang mit Wissen?
- Was bedeutet dies für die gemeinsame Arbeit und den Umgang von Wissen?
Die Nutzung der Methode kann so zu einsichtsvoller Klugheit verhelfen.
Glaubenssätze „prägen uns, unser Denken, Fühlen und Handeln.“ Aber wenn „wir etwas glauben, dann ist das nur eine mögliche Sicht der Dinge und eben nicht die Wahrheit.“ Glaubenssätze sind jedoch nicht unbedingt von vornherein schlecht. Sie „geben uns Halt und ein Gefühl von Sicherheit.“ (Konnerth, o.J.)
Verständigung mittels der Methode
Man kann die Methode nutzen, wenn man
- bemerkt, dass man verschiedene Anschauungen zu einem Begriff (zum Beispiel Wissen) oder zu Themen (zum Beispiel gemeinsam Wissen transferieren) hat oder hilfreiche Selbstverständlichkeiten finden und mehr nutzen möchte oder nicht hilfreiche angehen möchte*;
- wenn man neue Ideen erarbeitet und als Start in die Erkundung der Ausgangssituation deren scheinbaren Selbstverständlichkeiten anschaut;
- regelmäßig, vielleicht einmal in einem Quartal, in einer Arbeitsbesprechung, scheinbar selbstverständliche Begriffe/Themen wieder genauer anschaut.
*Manchmal weist nicht die eigene innere Stimme auf Glaubenssätze hin, sondern man bekommt davon erzählt. „Beispielsweise ein Kunde berichtet von etwas, das ihm aufgefallen ist…“ (Blumenschein, Ehlers, 2007) Regelmäßiges Sammeln, hilft Selbstverständlichkeiten zu bewahren, bis bis man sie näher ansieht.
Sicher gibt es noch mehr Anwendungsmöglichkeiten. Alle die hier genannten verbindet die Nutzung innerhalb einer Gruppe von gemeinsam Arbeitenden oder Lernenden. Strategisch passen muss dies zur Kultur.
Beispiel: Was ist in Ihrer Firma selbstverständlich beim Umgang mit Wissen?
Welche dieser Selbstverständlichkeiten sind hilfreich :-) ?
Welche sind mal hilfreich mal nicht :-) :-( ?
Welche sind nicht hilfreich :-( ?
Eine anonymisierte Galerie auf einem digitalen Whiteboard,
mit Teilnehmenden in einer Weiterbildung. (Whiteboard Mural, eigene Darstellung)
- Selbstverständlichkeiten können im voraus gesammelt werden (digitales Whiteboard oder anderes gemeinsames digitales Notizbuch).
Oder sie werden zu Beginn der Nutzung der Methode zusammengetragen.
Hilfsfragen könnten unter anderem sein:
„Was hat für Sie … bereits den Charakter eines ‚ungeschriebenen Gesetztes’?
Was tun Sie … ohne lange darüber nachzudenken, fast schon automatisch?“ (Blumenschein, Ehlers, 2007) - Die Fundstücke werden auf analoge oder digitale Karten geschrieben und angepinnt. Dies kann frei geschehen, oder es gibt Flächen mit Rubriken (Beispiel Abbildung oben).
- Dann betrachten alle die Fundstücke. Diese werden wo nötig erklärt und gruppiert. Man schaut, ob sie „wahr“ sind. Sind sie förderlich? Das kann sein „als Orientierungshilfe, Zeitersparnis, Möglichkeit mit Komplexität umzugehen, Rituale, die für Sicherheit sorgen.“ (Blumenschein, Ehlers, 2007) Kann man sie auch in anderen Zusammenhängen nutzen? Wo verstehen wir völlig Verschiedenes zu einem Begriff? Nützt uns das? Womit sollte wir uns wann und wie ausführlicher beschäftigen? … Wie die Erkenntnisse genutzt werden, wird überlegt.
Und was spricht gegen die Methode?
- Die mindestens notwendige Offenheit miteinander muss möglich ist. Man könnte auch gegebenenfalls auf einfacherem Gebiet beginnen.
- Es kann auch sein, dass man von Selbstverständlichkeiten überwältigt wird. Dann gilt es gemeinsam zu fokussieren.
Wichtig: Vertrauen behält man, wenn Schlussfolgerungen umgesetzt werden. Eine Rückschau zu gegebener Zeit lässt für die Zukunft lernen.
Beispiele aus meiner Nutzung dieser Methode zur Verständigung
Ich habe sehr gute Erfahrungen in verschiedenen Settings mit der Methode gemacht. Die einzige Herausforderung war manchmal eine überwältigende Anzahl an Selbstverständlichkeiten (siehe ein Hinweis oben zum Umgang damit).
Thema Kreativität: Was ist selbstverständlich zu Kreativität im Team?
Das erkunde ich gern mit Teilnehmenden zu Beginn einer Weiterbildung zu Kreativität oder in der Lehre dazu.
Thema Wissen: Siehe Abbildung oben.
Thema Wissenstransfer: Was ist selbstverständlich in Bezug auf Wissenstransfer in Ihrem Projekt (P), Ihrer Abteilung (A)/Ihrem Team (T), Ihrer Organisation (O)?
Beide Fragebeispiele können sich neben dem Beginn von Weiterbildung auch zu entsprechenden Projekten zum Start.
Verständigung mit sich selbst
Die Methode ist für Gruppen gedacht. Doch kann ich mir sie auch für einzelne Personen nützlich vorstellen.
Ich kann und möchte mich zum Beispiel fragen, was ich dieses Jahr nicht optimal fand, aber nicht in Frage gestellt, also als selbstverständlich genommen habe. Was war das alles? War es „wahr“, hilfreich, nicht hilfreich? Soll es so bleiben?
Meine Erkenntnisse möchte ich übersichtlich dokumentieren und entscheiden, ob, wo und wie ich anders handeln werde. Für ein paar Monate will ich das dann im Blick behalten.
Wo und wie könnte Ihnen diese Methode beruflich oder privat nutzen?
Mehr Verständigungsmethoden:
Bisoziation
Quellen:
(Blumenschein, Ehlers, 2007) Blumenschein, Annette, Ehlers, Ingrid Ute (2007) Ideen managen. Eine verlässliche Navigation im Kreativprozess. Rosenberger Fachverlag
Konnerth,, Tanja (o.J. ) Glaubenssätze: Nur weil Sie etwas glauben, muss es nicht auch wahr sein!
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