Bei meiner Arbeit im Verlagswesen wurden zunächst charakteristische Doppelseiten für die Buchgestaltung entworfen. Diese Entwürfe machten allen am Buch Beteiligten vorab klar, wie das Wissen in Text und Bild an die Leser:innen transferiert werden könnte.

Das fertige Fachbuch wurde so greifbarer. Buchgestaltungsideen konnten ohne große Investitionen ausprobiert werden. Varianten gaben Sicherheit, ob der Inhalt verständlich wird. Und wir erkannten, ob wir uns positiv von der Verlagskonkurrenz abheben würden. Wenn viel Arbeit im Spiel ist, wie zum Beispiel bei einer Fachbuchreihe, kann man einen Layout-Prototyp auch vorab mit Zielgruppen testen.

Auch bei vielen anderen Dienstleistungen und Produkten kann ein Prototyp erste Klarheit und mehr Sicherheit bei der Entwicklung bringen. Dies kann für einzelne Aspekte einer angedachten Lösung gelten oder für verschiedene angestrebte Ziele. Der Charme des Prototyping liegt in seiner pragmatischen Vielseitigkeit.

Wie Prototypen Ihnen helfen können, Fachwissen besser zum Fließen zu bringen, zeige ich Ihnen hier.

 

So hilft ein Prototyp

„Es ist wirklich schwierig, Produkte mit Hilfe von Fokusgruppen zu entwerfen.
Oftmals wissen sie nicht, was sie wollen, bis man es ihnen zeigt.“ Steve Jobs
(Übersetzung Annette Hexelschneider) (Wiethoff, 2014)

Prototypen geben Ideen eine sichtbare Form. Dies ermöglicht es, eine oder mehrere Ideen genauer zu untersuchen, gegebenenfalls zu testen und weiterzuentwickeln. Prototyping ist ein weites Feld. Ich gebe hier anhand von Beispielen einen kleinen Einblick.

Je nach Situation geht es darum, sichtbar zu machen,

  • wie das Produkt/der Service aussieht und funktioniert,
  • wie verständlich das Produkt/der Service ist,
  • welche Emotionen das Produkt/der Service auslöst.

Man kann außerdem

  • das Frontend (was Benutzer:innen sehen/erleben)
  • oder/und das Backend (was im Hintergrund abläuft)

prototypen.

Sie können

  • das Produkt/den Service prototypisch entwickeln
  • oder/und seine Nutzung (die Kund:innenreise dorthin/damit).

Bei so vielen Möglichkeiten lohnt es sich, vor dem Prototyping aufzuschreiben, welche Ziele Sie damit verfolgen. Das hält Sie auf Kurs. Dabei hilft, wie so oft, der Design Criteria Canvas.

Die Vorteile von Prototypen liegen auf der Hand:

  • Ideen können klarer kommuniziert werden,
  • eigene blinde Flecken in den Ideen werden sichtbar
  • mögliche oder notwendige Verfeinerungen werden sichtbar,
  • Tests mit Zielgruppen werden einfacher hinsichtlich des Aufwands und der Ermächtigung von Kund:innen,
  • die Ideenauswahl wird einfacher,
  • Zeit, Geld und Nerven können gespart werden, bevor man (sich) mehr in etwas investiert.

Effizienz-Tipp: Wenn Sie öfter Prototypen erstellen und nutzen, hilft es Ihnen und Ihren Kolleg:innen, wenn Sie Ihre Erfahrungen dazu speichern. Das können zum Beispiel Material- und Softwaretipps sein. Oder sie sammeln Fotos der Prototypen, die Sie und andere inspirieren, beim nächsten Mal noch einfacher geeignete Prototypen zu entwickeln.

 

So wird ein Prototyp einfach hergestellt

Das Ziel bestimmt also die Art des Prototyps und bestimmt, wie der Prototyp hergestellt wird:

  • mit welchen Materialien,
  • wie technisch einfach oder wie aufwendig
  • wie inhaltlich vereinfacht oder wie detailliert (Witthoft, 2022).

Hier nun einige Beispiele, die sich leicht umsetzen lassen:

Prototyp für Infoprodukt
Ein Entwurf kann ein Prototyp für ein Informationsprodukt sein

 

Ein Comic als Prototyp für Softwarenutzung
Ein Comic ist der Prototyp für die Nutzung einer App (Andrzejewski in Cheng, o.J.)

Damit habe ich in meiner Arbeit sehr gute Erfahrungen gemacht. Stichwort Storytelling.
Strichmännchen reichen aus, Software hilft bei Bedarf.

 

Beispiel Business Origami Prototyp
Business Origami kann viele Aspekte von der Erstellung bis zur Nutzung von Informationsprodukten und -Services prototypisieren. (Schleith, 2017)

Das ist sehr flexibel einsetzbar in einfachen Varianten (ad hoc skizzierte Karten mit Namen oder mit einfachen Icons) oder in etwas aufwendigeren Varianten (vorgedruckte Elemente).

Weiterführende Idee: Vorarbeiten hinter den Kulissen, z.B. für ein Wiki, und dessen Nutzung vor den Kulissen könnten durch unterschiedliche Bereiche und Farben verdeutlicht werden.

 

Lego Serious Play als Prototyp für die Werte und Inhalte einer Community (eigenes Foto)

 

Ein Materialmix zum Protyping

Ein Mix an Materialien für ein Detail eines Services (eigenes Foto)

 

Blueprint Kund:innenreise

„Blaupause“ einer Kund:innenreise mit Skizzen und Post-its (Flowers, Miller, 2015/2016)

Andere digitale Prototypen können ebenfalls nützlich sein:

  • Digitale Software Mockups
  • Bilder/Modelle, die mit KI erstellt wurden
  • Videos mit Menschen, mit Objekten oder/und mit KI erstellt.

Effizienz-Tipp: Zuerst einen Schwarz-Weiß-Prototypen erstellen, damit die Farbe nicht ablenkt. Dies kann eine „nüchternere“ Betrachtung der Idee ermöglichen.

Effizienz-Tipp: Wenn man mal spezielle Werkzeuge braucht wird, sparen Maker Spaces Geld. Auch wenn man dort nicht Mitglied ist, bieten viele davon einzelne Arbeiten an und sind sehr hilfsbereit. Das habe ich zum Beispiel beim Laserschneiden erlebt.

 

Mehr über Prototypen für effektives Wissen

Wenn es darum geht, neue interne Informationsprodukte zu schaffen,

  • die in vielen Ausgaben erstellt werden sollen,
  • einfach zu erstellen sein sollen,
  • und nützlich sind (zum Beispiel wirksame Checklisten)

lohnt sich ein Prototyp. Damit kann sowohl das Informationsprodukt als auch seine Erstellung und Nutzung gezeigt und erprobt werden. So wird klarer, ob alle damit verbundenen Ziele für die Zielgruppen wirklich erreichbar sind. Dies gibt Sicherheit für das weitere Vorgehen.

Das Gleiche gilt, wenn man zum Beispiel eine Methode für den Wissenstransfer in einer Organisation zur Verfügung stellen möchte.

Wo haben Sie schon wichtige Erkenntnisse mit Prototypen gewonnen?

Wie und wo kann Ihnen ein einfacher Prototyp bei einer anstehenden Aufgabe Sicherheit geben?

Achtung!
Es gibt auch eine „dunkle Seite“ des Prototyping. Damit meine ich, dass man erkennt, wie viel Arbeit noch vor einem liegt, bevor aus einer Idee ein erfolgreiches Produkt oder ein erfolgreicher Service wird. Das ist zwar gut, kann aber auch entmutigend sein. Seien Sie also darauf vorbereitet, sich selbst und andere zum Durchhalten zu motivieren.

Mehr Tipps in meinem Blog:
Design Thinking – ausgewählte Methoden (Prototype im Kontext)

Design Thinking – ein Beispiel, Service Design Jam (Prototype im Ablauf)

Fachbuchrezension u.a. mit Beispielen von Prototypen für Informationsdesign

Fachbuchrezension u.a. mit Beispielen von Prototypen für Data Physicalization

Auch eine künftige Nutzungsgeschichte kann ein Prototyp sein

Quellen:
(Andrzejewski in Cheng, o.J.) Cheng, Kevin (o.J.) Applying Comics. In Articles of Center Centre – UIE. Mit einem Beispiel von Alexa Andrzejewski.

(Flowers, Miller, 2015/2016) Flowers, Erik, Miller, Megan, Erin (2015/16) Practical Service Blueprinting. Your guide to generating actionable insights for service experiences. Attribution-NonCommercial 4.0 International

(Flowers, Miller, 2022) Flowers, Erik, Miller, Megan, Erin (2022) Your Guide to Blueprinting. The Practical Way. By Practical by Design.

(Schleith, 2017) Schleith, Johannes (27.10.2017) Lots of fun at Business Origami Workshop.

(Wiethoff, 2014) Originalquelle unbekannt, gesehen in Wiethoff, Alexander (2014) Vortrag zu Prototyping anlässlich der Service Design Jam 2014 in Linz

(Witthoft, 2022) Witthoft, Scott (2022) Get curious to gauge good enough

Foto von Alvaro Reyes frei auf Unsplash